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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Anstrich wie unberührt aussah.
    Dann wandte er sich den Hintertüren zu und durchschnitt sie, wobei er das Alarmsystem und die Drucksensoren vermied. Das war nicht einfach. Ihre Drähte liefen überall entlang, doch schließlich hatte er eine schmale Lücke geschaffen, durch die Natalie sich zwängen konnte.
    »Das Abrollen nicht vergessen«, sagte sie, als sie sich durch das Loch wand. Ihr Haar flatterte im Wind, die Jackenzipfel schlugen hin und her.
    Sie wandte sich ihm zu, einen triumphierenden Ausdruck im Gesicht. »Das ist Wahnsinn.«
    Er nickte. »Vielleicht macht es Ihnen mehr Spaß als mir.«
    Als sie sich einer Art Abzweigung an einer Ecke näherten, wurde der Wagen langsamer.
    Natalie stieg leise auf die Asphaltdecke und sagte: »Na los. Setzen Sie es wieder ein.«
    »Gehen Sie. Ich hole Sie ein«, sagte er und begann, die Öffnung wieder zu schließen.
    Während der Bus durch das alte Industriegebiet fuhr und Wohngebieten ausweichend langsam seinem Weg folgte, ging Natalie in die andere Richtung. Sie näherte sich wieder dem Flughafen und suchte, während sie ging, hinter Gebäuden und Mauern Deckung, bis sie endlich an einen Highway gelangte, der in die Stadt und aufs Land führte.
    Ein Vertreter, der nach einer Verkaufsreise durch den Bundesstaat nach Hause unterwegs war, nahm sie als Anhalterin mit, und Ian folgte ihr in einiger Entfernung, mehrere Ebenen unterhalb. Er wartete und bewahrte, was er nur konnte, für den Augenblick, in dem er eine Chance erhielt, etwas zu tun, was zählte.

 
17
     
     
    Natalie begab sich auf direktem Weg zu Judes Adresse in Eastern Market und stellte erstaunt fest, dass er nur einen Steinwurf weit vom Capitol wohnte, zwischen schmucken Straßen, auf denen alte Bäume mit ihren Wurzeln das Pflaster zu kleinen Hügeln aufgeworfen hatten, die von Rissen durchzogen waren. Im obersten Stockwerk eines bleichen Mietshauses aus Stein, blickten Judes Fenster auf den alten Stadtkern. Die Abenddämmerung brach herein, und die weißen Gebäude leuchteten im Licht der Scheinwerfer, die sie vom Boden aus anstrahlten. Wichtigkeit und Macht waren tief in die Architektur graviert. In den Häusern und Zimmern in ihrer Nähe spürte Natalie, wie andere Energien sich bewegten: die verschwommenen Eindrücke von Menschen schimmerten schwach wie Spiegelbilder auf dahinströmendem Wasser.
    Zitternd stand sie am Randstein und überlegte, wie lange man brauchte, um sie durch die Transaktion zu finden, mit der sie ihre Taxifahrt bezahlt hatte. Sie hatte zwar das beste Verschlüsselungsverfahren benutzt, aber eine Möglichkeit fand sich immer. Sie schätzte ihren Vorsprung auf höchstens ein paar Stunden, und wenn die Leute Grips hatten, warteten sie ohnehin hier darauf, dass sie erschien.
    Die Hitze und der Geruch waren exotisch. Durch ihre Neuigkeit hoben sie fast den Albtraum von Dans Tod auf. Natalie verweilte im Schatten eines Ginkgo, dessen Blätter in einem Lufthauch zitterten, und nahm einen Augenblick die Ruhe der Veränderung in sich auf, während sie unauffällig nach Beschattern Ausschau hielt. Außer ihr war hier niemand. Ohne noch länger zu warten, stieg sie die Stufen zum Foyer hoch und klingelte, damit der Portier ihr öffnete.
    Ihr gefälschter Ausweis genügte der Gebäude-KI, und sie wurde ohne die affektierte Behinderung eingelassen, die sie an einem Haus wie diesem erwartet hatte – doch der Portier hielt offenbar nichts von Snobismus, sondern er schien die Idee zu vertreten, dass menschliche Wesen kommen und gehen dürfen sollten, ohne ein hochnotpeinliches Verhör über sich ergehen lassen zu müssen. Ihm gefiel auch, wie sie aussah, obwohl sie vielleicht ein bisschen dämlich wirkte. Trotz ihrer Müdigkeit lächelte sie ihn höflich an. Höflichkeit schätzte er ebenfalls. Er hielt ihr die Lifttür auf und wünschte ihr einen angenehmen Tag.
    Natalie stieg aus der Kabine in einen weißen Korridor, den sie so nüchtern wie in einem Krankenhaus fand. Hätten ihm nur ein paar Kacheln gefehlt, hätte er einen Linoleumfußboden gehabt und nach Urin gestunken – er hätte hervorragend zu ihrer psychiatrischen Station gepasst. Von den Türen und den Lampen abgesehen war er völlig ohne Merkmale. Jedem teilte er mit: Sie befinden sich in einer toten Zone zwischen den Leben; Sie durchschreiten jede Tür auf eigene Gefahr, aber um Ihrer geistigen Gesundheit willen, durchschreiten Sie eine. Natalie war nicht um der Gefahr willen hierher gekommen, aber sie wusste nun, dass Jude in

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