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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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führen ihn nach unten – er braucht dazu nicht jeden einzelnen Beinmuskel gezielt anzusprechen. In unserem Fall möchte Patient X vielleicht einfach verschwinden, also verschwindet er, ohne zu wissen, wie er das eigentlich bewerkstelligt.«
    »Nikolai?«, wandte sich Guskow wieder an seinen alten Freund und Kollegen. »Noch immer zu schwierig?«
    Kropotkin nickte. »Allerdings. Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Trotzdem sehe ich nicht, wie ein biologischorganisches Wesen eine Wechselwirkung mit Fermionen und Bosonen erreichen soll, und solch eine Wechselwirkung wäre notwendig, um diese vollständige Materieumwandlung zu bewerkstelligen, die Sie anscheinend für so einfach halten.
    Fermionen sind der Stoff, aus dem Materie besteht, und aus Bosonen bestehen Felder. Gemeinsam bilden sie das Gefüge des Universums. Wie kann das Bewusstsein, ein Produkt organischchemischer Vorgänge auf viel höherer Ebene, auf dieses tiefere Niveau zugreifen und es beeinflussen? Und mehr noch, wie sollte das Bewusstsein so etwas anstellen, ohne sich dabei selbst zu verändern? Die Umwandlungen, von denen Sie sprechen, schließen den gesamten Aufbau von Patient X ein und daher folglich auch sein Bewusstsein. Wie könnte die Information, was er – körperlich – ist, solch eine Umwandlung überstehen? Wo ist sie gespeichert, und wie wird Patient X wiederhergestellt? Ist er denn wiederhergestellt worden? Könnten Sie das beweisen, wäre es zumindest ein wichtiger Schritt, mich zu überzeugen, aber Sie haben nichts in der Hand – keine einzige übrig gebliebene Zelle. Selbst unter der Annahme, dass Sie Recht haben, erscheint sein Verschwinden doch eher so, als sei es endgültig.«
    »Guten Tag«, sagte eine Stimme von der Tür, eine fröhliche Frauenstimme mit einem Elan und einer Autorität, die darauf hindeuteten, dass die Besitzerin es gewohnt war, vor Rechenschaftskommissionen und Bewilligungsausschüssen zu sprechen und zu erhalten, was sie wünschte. »Wie ich sehe, verschwenden Sie keine Zeit.«
    »Doktor Khan.« Guskow erhob sich und stellte ihr die anderen vor. »Ich hoffe, Sie fühlen sich hier wohl.«
    »Nicht gerade das Ritz«, entgegnete sie und schüttelte Goldfarb und Kropotkin nacheinander die Hand, als sie ebenfalls aufstanden und sie begrüßten. »Sagen Sie bitte Alicia zu mir«, fügte sie hinzu und schloss mit dem Blick ihrer bernsteinfarbenen Augen sie alle mit ein. »Ich bin für die Dauer des Projekts ihr Statistik- und Wahrscheinlichkeitsguru. Hoffentlich nehmen Sie sich nicht allzu viel Zeit. Ich habe zu Hause noch einen Braten im Ofen gelassen.« Sie lächelte, ein ansteckendes Lächeln, das Guskow und Kropotkin mit Wärme erwiderten und das Goldfarb ihr originalgetreu zurückgab. Guskow war ihr noch nie begegnet, doch in diesem Augenblick erfasste ihn eine herzliche Abneigung gegen sie.
    Von der Tür waren weitere Schritte zu hören, und Lucy Desanto platzte in Khans Auftritt, die Hände in den Hosentaschen, die Brauen unter dem grau-braunen Pony hochgezogen. »Die Party hat also schon ohne mich angefangen«, sagte sie. Sie begrüßte die Anwesenden mit einem Nicken und einem bissigen Grinsen. »Nur zufriedene Gäste, dank Ihrer netten Einladungsschreiben, Michail. So viele Schmeicheleien und freundliche Worte über meine Familie. Sie müssen sehr zufrieden sein mit dem, was Sie bereits erreicht haben.« Sie setzte sich auf den freien Stuhl, der gerade außerhalb der Linie der Gruppe stand, und faltete die Hände im Schoß. Ihr Blick war unbarmherzig.
    »Solch ein Schreiben habe ich nie verschickt.« Das war die Wahrheit.
    »Dann eben Ihr Lakai. Miss Delaney vom Verteidigungsministerium. Ein charmantes Mädchen. Bestimmt schafft sie es ganz nach oben.«
    Ihre Ankunft hatte, ganz wie beabsichtigt, die Stimmung mit einem Schleier des Unbehagens überzogen. Guskow beging nicht den Fehler zu versuchen, diese Trübung der Stimmung zu beseitigen. Er wartete ab, bis alle die Situation akzeptiert hatten, um zu sehen, wie sie darauf reagierten. Ohne Ausnahme müssten sie ihrem Herzen noch weit mehr Luft machen, bevor auch nur einer von ihnen mit Mappa Mundi fortfahren konnte, und je schneller es losging, desto besser.
    »Mary Delaney gehört zu denen, die uns unmittelbar behindern, wenn wir mit diesem Projekt etwas erreichen wollen«, sagte er im Plauderton, indes er Desanto fest in die Augen blickte. »Der Zustand der geistigen Freiheit kann niemals erzeugt werden, solange jemand wie sie und ihre Landsleute die

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