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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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noch … Ich muss noch einen gehabt haben.« Er verstummte und schwankte so heftig, dass Natalie ihn beim Arm packte, damit er nicht umkippte. Sie glaubte, er würde bewusstlos, doch er packte mit einer Hand die Frühstückstheke und hielt sich fest.
    »Was ist denn? Mach dir nichts draus. Trinken wir eben was anderes.«
    »Nein«, sagte er beharrlich. Er stieß sich von der Theke ab und taumelte ins Wohnzimmer zurück, ohne die Teeschachtel wegzulegen. Natalie begriff nicht, warum er so darauf fixiert war, doch er schien den Bezug zur Realität noch nicht ganz verloren zu haben und erlitt darum wahrscheinlich keine paranoide Wahnvorstellung.
    Er drehte sich um, kämpfte ums Gleichgewicht und sagte mit wiedergefundener Selbstbeherrschung: »White Horse trinkt nichts außer Teer-Kaffee und Kräutertee. Ich trinke gar keinen Tee. Du trinkst Tee. Mary auch. Letztes Mal, als Mary hier war, hat sie sich selbst eine Tasse aufgebrüht und zu mir gesagt, dass nur noch ein Beutel übrig ist und ich nicht vergessen darf, neuen mitzubringen, wenn ich einkaufen gehe.«
    Natalie wartet, dass er fortfuhr. Ihre eigene Verzweiflung und Müdigkeit drohten sie zu überwältigen, doch sie blickte ihn interessiert an.
    Jude sah sich um, und Natalie folgte seinem Blick, der auf einem hübschen Stück Indianerkunst verweilte. »Mary muss hier gewesen sein, als ich fort war. White Horse sagte, sie hätte mit ihr gesprochen, und Mary hätte ihr einen Anwalt genannt. Aber ich dachte … ich dachte, sie hätten nur telefoniert, ich weiß auch nicht warum. Dabei war sie hier und hat nichts davon gesagt.«
    »Wer ist Mary?«, fragte Natalie. Hinter ihr pfiff der Wasserkessel und schaltete sich selbsttätig ab.
    »Mary, meine Partnerin«, sagte Jude geistesabwesend. Er setzte sich und drehte die Pappschachtel in den Händen. Die Krümel rieselten auf den makellos sauberen Teppich. »Wir arbeiten seit vier, fünf Jahren zusammen.«
    »Seid ihr Freunde?« Sie hatten den höchst sonderbaren Eindruck, dass sie der Person, von der Jude sprach, schon einmal begegnet war. Aber das war albern.
    »Ja. Sehr gute Freunde.« Doch er klang nicht sicher.
    Natalie versuchte sich nicht zu fragen, weshalb er sie bislang nicht erwähnt hatte, aber sie hätte es gern gewusst. Sicher, er war heimlich nach England gereist, aber trotzdem: Würde seine Freundin ihm bei solch einer Untersuchung nicht helfen? Natalie versuchte das Gefühl abzuschütteln, dass Jude ihr umso mehr zum Rätsel wurde, je mehr sie über ihn erfuhr.
    »Du meinst, ihr wart Freunde, und jetzt seid ihr keine mehr?« Sie wollte eine Klarstellung von ihm.
    »Ich weiß es nicht.« Er blickte sie an, und als wäre ein Schalter umgelegt worden, war plötzlich jener Jude wieder da, an den Natalie sich erinnerte. »Tut mir Leid. Das muss in deinen Ohren wie ein ziemlicher Schwachsinn klingen, aber jetzt diese Schachtel …« Nachdenklich hielt er sie in der Hand, und unversehens verzog sich sein Gesicht zu einer Grimasse, und er knüllte die Schachtel zu einem kleinen, rot-grauen Ball zusammen. Als er sich dann wieder Natalie zuwandte, war seine Miene entspannt.
    »Hier ist eine Menge passiert.«
    »Bei mir auch. Komm mit. Hier können wir nicht bleiben. Nimm, was du brauchst, und lass uns gehen.« Natalie brachte es kaum über die Lippen. Nichts mehr wünschte sie sich, als sich auf eines der Sofas sinken zu lassen.
    Jude starrte sie blicklos an, als hätte er kein Wort verstanden, stand dann aber auf und nickte zaudernd.
    »Lass mir ein paar Minuten Zeit.«
    Er verschwand in einem der anderen Zimmer, und Natalie hörte, wie er Wandschränke öffnete. Sie schenkte sich eine Tasse heißes Wasser ein und nippte daran, während sie das Wohnzimmer genauer in Augenschein nahm. Angesichts der Sauberkeit und Ordnung, die hier herrschten, fühlte sie sich umso niedergeschlagener und hilfloser.
    »Was hat sie mit dem Gerät gemacht?«, rief Natalie durch die Tür, ohne über die Frage nachgedacht zu haben.
    »Ist ihr abgenommen worden«, sagte er mit grimmiger Miene, als er zurückkehrte. Er nahm das perlenbesetzte Etwas von der Wand und nahm die Rückseite ab, hob die Halsketten und die anderen Dinge von ihren Haken und rollte sie sorgsam in T-Shirts ein, die er anschließend in einen Aktenkoffer legte. Mit knappen Worten schilderte er, was geschehen war: die Entführung und die Drohungen.
    »Dein Cornflakes-Karton ist völlig zerrissen«, sagte sie, unsicher, weshalb das wichtig sein sollte.
    Jude sah sie

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