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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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sprach eine Stimme ihren Namen in vertrautem Cheyenne.
    »Vohpe’hame’e! Ich sehe dich, du kleine Teufelin. Komm raus und brenne!«
    White Horse erkannte zwar die Stimme nicht, begriff nun aber, was das nasse Gras zu bedeuten hatte, das noch nicht brannte, und warum ringsum alles nach Benzin stank.
    Furcht packte sie, eine so tiefe Furcht, dass sie ihr in den Knochen schmerzte. Keuchend, jeden Atemzug unterdrückend und trotzdem die ganze Zeit hustend, ein rotes, schmerzerfülltes Husten, suchte sie verzweifelt nach ihrer Tasche. Das Ding war da drin, ihr einziges Beweisstück. White Horse spähte in alle Richtungen, die Augen trotz des stechenden Windes geöffnet, doch mehr als eine winzige Nadelspitze aus Licht, wie von einem sterbenden Stern, sah sie nicht. Das war der kräftige Strahl von Red Hats Garagenlampe. Sie war fast blind.
    Schritte näherten sich, schwer und mit einer Art trunkener Verbissenheit. White Horse hörte sie; sie spürte die Schritte durch den Boden, überdeckt von den Todeszuckungen des Hauses.
    »Endlich!«, rief die Stimme. Sie war nach innen gekehrt, gurgelte sich selbst zu, eine auf den Kopf gestellte Situation. »Da bist du ja!«
    White Horse blickte auf, und im gleichen Moment ertastete sie mit der rechten Hand ihre sperrige Handtasche. Eine schlurfende Gestalt hob sich gegen den Feuerschein ab, in Schleier aus schwerem, giftigem Rauch gehüllt. Wie ein Bär beugte sie sich mit halb ausgebreiteten Armen über White Horse.
    White Horse stand auf. Eiskalt schoss ihr der Schmerz durch das rechte Bein und das Kreuz. Keuchend, japsend, mit brennender Kehle wollte sie vom Haus weglaufen, doch schon nach drei Schritten verließ sie der Orientierungssinn. Irgendwo dort musste der Zaun sein, dahinter die Straße.
    Sie rannte schräg gegen den Zaun und stürzte zu Boden, landete auf der kostbaren Tasche, und etwas darin zerbrach. Der Apparat! Von den Benzindämpfen war ihr schwindlig, und sie hörte direkt hinter sich die Stimme:
    »Warte doch, warte doch mal!« Die Stimme lachte.
    White Horse hörte ein Feuerzeug schnipsen, Metall auf Feuerstein.
    Sie schrie auf, und der kleine Frosch in ihrem Hals flüsterte: »Hilfe! Hilfe!«
    Mit einem ohrenbetäubenden Knall explodierte der Propangastank hinter dem Haus. Metallsplitter wirbelten sirrend durch die Luft. Der Feuerball sandte einen heißen Schwall von blauem und orangefarbenem Licht aus, das durch den Rauch drang und White Horse die Frau zeigte, die sich über sie beugte und verblüfft auf ihr Feuerzeug starrte, das einfach nicht angehen wollte. Ihre völlige Konzentration auf das Feuerzeug wirkte geradezu kindisch.
    White Horse rappelte sich auf. Sie hatte solche Angst, dass sie kaum atmen konnte. Ratsch-ratsch-ratsch machte das Stahlrädchen, vom dicken Daumen der Frau angetrieben. Funken stoben so eifrig auf, als böten sie ihre Hilfe an.
    Dann hatte White Horse zum ersten Mal Glück: Sie spürte, dass sich die Zaunlatte, die gegen ihr Bein drückte, leicht bewegen ließ. Darum wusste sie, dass sie nicht einmal in der Nähe des Tores war, sondern an dem kaputten Zaun, abseits der Straße, abseits des Lichts. Sie war in der Mulde, in die sogar die Nachbarn nicht sehen konnten, in der Dunkelheit, wo im Herbst, Halloween, die dicken Kürbisse hockten.
    Die Frau schnippte noch immer das Feuerzeug. Ratsch-ratsch. Das Geräusch klang so vertraut. Trotz ihrer Panik erkannte sie es.
    »Martha?«, krächzte sie. Sie konnte kaum glauben, dass es Martha sein sollte, doch kaum hörte sie das Ratschen, da wusste sie es. Die Silhouette passte zu ihr, und wenn man sie wieder richtig herumstülpte, auch die Stimme. Martha Johnson, Ladenbesitzerin, Freundin der Familie. Martha Johnson versuchte, sie in Brand zu setzen.
    Statt zu versuchen, durch die Lücke im Zaun zu schlüpfen, rührte sich White Horse vor fassungslosem Entsetzen nicht vom Fleck. Es ergab keinen Sinn. Erst vorgestern hatte sie in Marthas Laden Brot gekauft. Das konnte nicht die gleiche Frau sein. Es durfte nicht wahr sein.
    »Verdammtes Ding.« Die Stimme klang anders – Martha war sauer.
    »Martha …«
    »Na also!«
    In einem Moment unbewusster und grenzenloser Not ließ White Horse die Tasche los und schloss beide Hände um das Ende der losen Zaunlatte.
    Zuerst hörte sie, wie sie Feuer fing, danach erst spürte sie es. Ein leises Wuff! ertönte, und dann fegte heiße Luft über ihre Haut. Die Flammen zeigten ihr Martha Johnsons Frohlocken, während sie sich das Feuerzeug vor das

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