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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Schlägers, und der Ball wirbelte vom Feld. Mary sah, wie Miles’ Gesicht leicht rosa anlief vor Verlegenheit, und sie grinste innerlich. Die nächsten vier Bälle parierte er mit effizienten, bedachten Schlägen.
    Miles und Mary zogen sich bis zur Grundlinie zurück, um Aufschläge zu üben.
    Während Mary den ersten Ball schlug, fragte sie sich, wie viel Einfluss sie tatsächlich besaß. Wenn sie diese Situation nicht in den Griff bekam, würde sie vermutlich rasch und endgültig in Ungnade fällen. Durch Dix verfügte sie über weitreichende Befugnisse und konnte sehr viel bewirken, doch plump wie eine Tonne Ziegelsteine vorzugehen, war vermutlich nicht ratsam. Sie blickte auf und blinzelte an einer losen Haarsträhne vorbei zu Miles, der soeben einen Ball geradewegs ein paar Zentimeter tief in den Anschlusskasten jagte. Der Ball hüpfte weiter und ließ das Netz rasseln.
    Mary warf ihren Ball hoch in den wolkenlosen blauen Himmel. Ihre Kontaktlinsen verspiegelten sich automatisch, um ihre Augen vor dem grellen Sonnenlicht zu schützen; dann schlug sie mit aller Wucht. In rasendem Tempo schoss der Ball vom Spielfeld. Vielleicht wurde es doch noch Miles’ Glückstag.
    Er setzte einen weiteren Ball auf die Mittellinie, und Mary fragte sich, ob sie hier lieber zurückbleiben und abwarten oder versuchen sollte, den Schlamassel abzufangen, solange er sich noch entwickelte. Natürlich würde sie am Netz spielen. Was blieb ihr anderes übrig? Deer Ridge bildete ein Tor, eine Einfallpforte in das Projekt Mappa Mundi, und dieses Tor musste sie wieder schließen.
    Sie warfen einen Vierteldollar, und Mary gewann. Sie wollte sehen, ob Miles husten würde, wenn sie ihn in Verlegenheit brachte. Mary überließ den Aufschlag ihm, und das Match begann.
    Wenn sie die Bresche nicht abriegelte, würden die Vereinigten Staaten das Rennen niemals gewinnen und wären nicht die Ersten, die den Verstand kartierten und entdeckten, wie man ihn kontrollierte. Das durfte Mary auf keinen Fall zulassen. Wenn eine andere Nation als Erste durchs Ziel ging, vergaß ihr eigenes Land eine zweihundertfünfzigjährige Siegertradition. Sie hoffte, Miles genügend Insidertipps geben zu können, sodass er half, jeden zum Schweigen zu bringen und besonders dem Senator gegenüber zu diskreditieren, der versuchte, das Interesse an der Geschichte aufrechtzuerhalten. Eigentlich sollte ihr gelingen, ihn zu überzeugen, dass sie im nationalen Interesse handelte, und auf jeden Fall würde sie nur preisgeben, was sie preisgeben musste. Trotzdem, es würde knapp werden.
    Miles’ erster Aufschlag lag zu weit. Sein zweiter sauste auf Mary zu, doch sie war darauf vorbereitet. Indem sie einen Schritt zur Seite machte, schlug sie einen Cross, sodass der Ball außerhalb von Miles’ Reichweite blieb. Sie ertappte sich, dass sie wie eine Irre grinste, ohne es zu wollen.
     
    Das Haus, in dem Natalie und ihr Vater einmal gewohnt hatten, wirkte kalt und abweisend. Ihren Entschluss, Jude hierher zu bringen, bedauerte sie schon, kaum dass die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war. Nachdem ihr Vater vor sieben Monaten in die USA gegangen war und sich nur die Putzfrau um das Haus kümmerte, hatte es einen Hauch von Vernachlässigung angenommen, den Natalie augenblicklich mit dem unpersönlichen Geruch in der geschlossenen Abteilung in Verbindung brachte. Beide Gerüche gab es, weil etwas Entscheidendes fehlte: Der eine drückte den absoluten Mangel an körperlicher Anwesenheit aus, der andere suchte die greifbaren Spuren leer geräumter Gemüter mit dem chemischen Gestank nach Reinigungsmittel und Blumen zu überdecken, als könnten solche Gerüche auch nur einen Menschen so weit täuschen, dass er glaubte, sie existierten nicht.
    Unter der tiefen Stille im Haus glaubte Natalie noch etwas zu verspüren: Groll. Das Gebäude gab ihr und Calum die Schuld an dem erbärmlichen Zustand, in dem es sich befand: eine Hülle ohne Leben. Nach all den Jahren vermisste das Haus noch immer Charlotte, Natalies Mutter. Fröhlich lachend, nach warmem Plätzchenteig duftend und schwach nach dem feurigen Gift der scharfen Speisen im Aga-Kühlschrank. Sie war schon lange tot. Die Erinnerung ließ Natalie zögern, doch Jude bemerkte es nicht.
    Bei Kerzenschein setzten sie sich in die Küche, nachdem Jude das Haus nach Wanzen untersucht hatte. Er stellte den Aktenkoffer auf den Tisch, und Natalie sah, dass seine Hände zitterten, als er sie an die Verschlüsse des Koffers legte. Die

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