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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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diesmal enger am Projekt mitarbeiten zu lassen, damit sie es von beiden Seiten im Auge behalten konnte. Ob nun zur Belohnung oder zur Strafe, Dix hatte beschlossen, es mit ihr zu probieren und ihr eine Chance zu geben, in eigenem Namen zu handeln. Diese Autorität hätte Mary um nichts auf der Welt ungenutzt gelassen.
    Sie verlegte den Termin um eine halbe Stunde vor, nur um zu sehen, wie Guskow reagierte. Sie waren schon oft zusammengetroffen, und obwohl Mary ein oder zweimal das Gefühl gehabt hatte, einen Satz gewonnen zu haben, bestand für sie nicht der geringste Zweifel, dass Guskow stets das Match gewann, ja den Grand Slam einheimste, wenn sie nicht noch mehr gab als ihr Bestes.
    Wenn man gewinnen will, darf man nichts dem Zufall überlassen. Mary trug ihr bestes Kostüm, hatte ihr Haar, ihre Fingernägel, ihre Füße, ihre Beine sowie ihr Gesicht von einer Flottille von Experten behandeln lassen und sich ausgezeichnete alte Blahniks über die Füße gestreift. Als sie sich im privaten Waschraum ihres Büros im Spiegel betrachtete, musste sogar sie selbst zugeben, dass es höchst unwahrscheinlich war, von dem Russen in der Sparte »Bestes Aussehen« geschlagen zu werden. Verstand jedoch … sorgfältig bemessene Dosen an Guarana, Vitaminen und Ginkgo waren das Maximum, das sie während des Trainings einzunehmen bereit war. Sie schluckte ihre persönliche Mixtur in einem halben Glas Leitungswasser und überprüfte noch einmal im Spiegel, ob sich ihr Höschen auch wirklich nicht abzeichnete. Ihr Körper unter der seidenen Unterwäsche wollte schwitzen, doch dank des Reaktionsinhibitors, den sie anstelle eines gewöhnlichen Deodorants trug, schaffte er das nicht. Sie grinste in den Spiegel. Es war Zeit.
    Genau um vierzehn Uhr dreißig wurde Michail Guskow hereingeführt. Sie tauschten einen Händedruck und blickten einander in die Augen, beide gleichermaßen voll Bestimmtheit und Entschlusskraft; jeder nahm Anerkennung und Engagement des anderen mit gegenseitigen Einverständnis und einer höchst subtilen Veränderung des Ausdrucks der Augen wahr. Mary liebte die Besprechungen mit Guskow. Sie beanspruchten sie bis an die Grenzen.
    »Ich bin sicher, Ihre Kontaktleute haben Ihnen schon den Grund für dieses Treffen mitgeteilt«, sagte sie, nachdem sie sich begrüßt hatten. Sie saßen sich in hochlehnigen, bequemen Ledersesseln gegenüber; Marys Sessel hatte die härteren Polster, doch abgesehen davon, dass Guskow groß und eindrucksvoll wirkte wie immer, war sie ganz ruhig. Wenn er den Unterschied bemerkte, so täuschte er das Gegenteil vor. Seine blauen Augen musterten sie amüsiert und wachsam, mit angedeuteter Kampfbereitschaft und einem Blick, in dem mehr lag, als je in einem Blick sexuellen Verlangens ausgedrückt werden konnte. Mary bevorzugte diese Art Blick schon lange.
    Guskow bestätigte ihre Vermutung durch ein angedeutetes Nicken. Beide wussten, welche Kontakte sie meinte: Männer und Frauen im Netz der russischen Mafia, die ihm aus alten Zeiten noch Treue schuldeten.
    »Ich war entsetzt zu erfahren, dass hier eine Entscheidung getroffen wurde, die solch einen Test ermöglichte«, sagte er. Bis auf die geisterhafte Spur eines russischen Akzents hier und da sprach er ein perfektes amerikanisches Englisch; eine Färbung, bei der Mary sicher war, dass er sie beabsichtigte. Der Einschlag ließ sie an wilde sibirische Winter denken, an Pelzkragen, Lagerfeuer und steinerne Datschas tief im Wald. An ihm war nichts, was er nicht bewusst ausgewählt hätte. Er war bis in die kleinste Einzelheit von sich selbst erschaffen. Wie Mary hatte auch Guskow gelernt, alles von sich aufzugeben, was nicht seinen Zielen diente. Doch sie zügelte sich, denn sie wollte diese Bewunderung nicht durchsickern lassen.
    »Es war ein politischer Kniff«, entgegnete Mary gelassen. »Ein Druckmittel, um den Wagemut der Regierung auf die Probe zu stellen. Wir sollten froh sein, dass man CONTOUR ausgesucht hat. Es wird an Projekten gearbeitet, die erheblich zerstörerische Wirkungen zeigen. Die Folgen wurden unter Kontrolle gebracht.«
    »Richtig.« Guskow lehnte den Kopf an die Stütze und ließ mit einer langsamen, sinnlichen Bewegung die Schultern sinken. »Und außerdem eine hervorragende Demonstration, dass Mappaware noch immer bei weitem zu instabil ist, um in der wirklichen Welt in irgendeiner Weise eingesetzt zu werden.« Ein wissendes Lächeln legte sich auf sein Gesicht, und er behielt unverwandt den Blickkontakt

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