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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Meinung frage.«
    »Bill!«, knurrte Armstrong aus dem Intercom, als sie langsam die Fassung wiedererlangten. »Machen wir uns daran, die Löschung auf Vollständigkeit zu prüfen.«
    Bill zuckte verärgert zusammen, tat aber, was Natalies Vater ihm sagte. Nat ertappte Dan, wie er sie angrinste, und in ihrer Euphorie grinste sie zurück, als wären ihm alle Sünden vergeben und vergessen. Als sie ihre tränenreiche Heilung Bobbys vorerst abgeschlossen und ihn in sein Zimmer zurückgebracht hatten, war die drückend auf ihnen lastende Spannung völlig umgeschlagen. Sogar Dan pfiff die Marseillaise, während er die Geräte herunterfuhr, und ihr Vater lachte, als er über die Live-Schaltung mit Glover und den anderen Beobachtern die Einzelheiten durchging.
    »Ja. Wie vereinbart«, sagte Bill gerade. »Sobald die Restauration zu neunzig Prozent Effizienz abgeschlossen ist, wird das NP stillgelegt. NervePath deaktiviert sich bei bestimmten, voreingestellten Werten.«
    Glover ging zu ihr hinüber und reichte ihr die Hand. »Meinen Glückwunsch, Doktor. Ein Triumph. Sie müssen vor Freude außer sich sein.«
    Natalie wusste genau, dass er sich nicht nur auf den Versuch bezog, sondern auch auf ihre Programmzeilen, die zum Erfolg beigetragen hatten. »Ich halte es für einen idealen Anfang«, entgegnete sie, doch ihre Hand schüttelte die seine mit genau der Begeisterung, die sie sich in ihrer Stimme nicht anmerken ließ. »Ich hoffe, das ist erst der Anfang einer ganzen Serie neuer Behandlungsmethoden für Fälle schwerer Schädigungen oder gar Unterbrechungen des Nervensystems.«
    »Und im Lauf der Zeit entstehen daraus vielleicht sogar Anwendungen für normale Menschen«, sagte er.
    »Oder das Militär«, erwiderte sie und verfluchte sich dafür. »Um Traumata im Feld behandeln zu können«, fügte sie hastig hinzu.
    »Ja.« Er lächelte und wirkte aufrichtig zufrieden.
    Sie konnte die Fassade, die sie so eisern aufrechterhielt, nicht mehr lange bewahren, doch das brauchte sie auch gar nicht.
    Ihr Pad signalisierte, dass Post eingetroffen sei. Sie entschuldigte sich, ging ans Fenster, lehnte sich an den Heizkörper und las die Mail.
    Sie kam von Jude.
    Sie ist weg, lautete sie. Melde mich. L. J.
    L?
    Natalie blickte auf, um zu sehen, ob jemand bemerkt hatte, wie sie rot anlief, oder ihren plötzlichen Stimmungsumschwung bemerkte, doch alles war noch beschäftigt, sich gegenseitig auf den Rücken zu klopfen. Sie senkte den Blick. Weg?
    Sie hatte das Bedürfnis, jemandem mitzuteilen, was sie wusste, doch wenn sie sich im Raum umschaute, fand sie niemanden, dem sie sich anvertrauen konnte, nicht einmal ihrem Vater – er arbeitete mit Guskow zusammen, und Guskow hatte im Dossier gestanden.
    Wenigstens war das Experiment erfolgreich verlaufen.
    Natalie beteiligte sich noch ein paar Minuten an den Glückwünschen, dann ging sie in ihre Räume, um die Ergebnisse in allen Einzelheiten durchzugehen. Im Korridor sah sie Bill, der mit der Schulter die Tür aufdrückte und herauskam. Sie verlangsamte ihren Schritt und hob die Hand, um ihm kumpelhaft auf die Schulter zu klopfen, doch er eilte mit gesenktem Kopf an ihr vorbei und bemerkte nicht einmal, dass sie es war.
    »He!«, rief sie ihm nach, aber nicht sehr laut und überzeugt, er würde nicht darauf reagieren.
    Verwirrt sah sie zu, wie er den Empfangsbereich durchquerte und die Klinik verließ. Sie blickte auf die Uhr. Siebzehn Uhr. Vielleicht hatte er eine Verabredung. Er gab sich häufig ganz plötzlich ganz introvertiert. Oder ihm war der Druck zu groß geworden, so vielen fremden Gesichtern und Inspektoren ausgesetzt zu sein. Ihr setzte dieser Druck ja auch zu. Sie wünschte sich nicht mehr als ein paar Minuten allein zu sein und ein ruhiges Plätzchen zu haben, an dem sie über das Dossier nachdenken konnte, über die Disk, über Jude und was sie mit Dan anfangen sollte.
     
    White Horse erwachte langsam. Sie hielt die Augen geschlossen und atmete, so flach sie konnte. Sie spürte, dass sie auf einer Art dünner Matratze lag und sich ringsum nichts bewegte. Trübes Licht drang ihr durch die Lider. Ihre Brandverletzungen hatten wieder zu jucken begonnen und schmerzten. Sie brauchte die Medikamente aus ihrer Handtasche, aber es kam ihr nicht so vor, als wäre die Tasche in Reichweite. Sie lauschte angestrengt, während ihr Kopf sich klärte, doch sie hörte nur ihren eigenen Atem und die Geräusche, die die Matratzenfüllung bei ihren kaum merklichen Bewegungen

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