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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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machte.
    Vielleicht eine Stunde lang lag sie so da, fühlte sich steif und musste urinieren. Ihr fiel nichts ein, was sie tun sollte, bis sie hörte, dass eine offene Tür sich schloss. Dann sagte eine autoritäre Männerstimme streng und ohne jeden Zweifel, ob sie wirklich wach war: »Aufstehen. Wir hätten da ein paar Fragen.«
    White Horse zögerte es noch eine Sekunde hinaus, doch es hatte keinen Sinn, sich zu verstellen. Vermutlich befand sie sich im Gewahrsam der Polizei oder Ähnliches. Widerstand gegen die Polizeigewalt hatte ihr in früheren Jahren nur ein blaues Auge und zwei gebrochene Rippen eingebracht.
    Langsam richtete sie sich in Sitzhaltung auf und blickte sich um.
    Sie war, wie sie angenommen hatte, in einer Zelle. Der Weiße mit der gebräunten Haut vor ihn war jedoch kein Polizeibeamter. Er trug eine khakifarbene Uniform und war gebaut wie Magpie, als er noch Marineinfanterist war, bevor er zum FBI ging und Muskelmasse verlor. Dieser Mann wirkte sogar noch kräftiger, als ihr Halbbruder gewesen war. Doch sein Gesicht zeigte nicht jene milde Gefühllosigkeit, die sie mit Autorität in Verbindung brachte. Er blickte sie klug an und registrierte jede ihrer Bewegungen.
    Als sich der Stoff über ihre Haut schob, flackerte der Schmerz in ihren Verbrennungen heftig auf.
    »Kann ich ein bisschen Wasser haben? Und meine Pillen?«, fragte sie, ohne wirklich darauf zu hoffen.
    »Im Vernehmungsraum«, antwortete der Uniformierte. »Sie brauchen bloß hinüberzugehen.«
    White Horse stand auf und lockerte ihr steifes Knie, das seit dem Sprung aus dem Fenster nicht mehr richtig in Ordnung war, und schlurfte in die Richtung, in die er gezeigt hatte. Ein kurzer Gang mit braunen Wänden führte in ein Zimmer mit Stühlen, einem Tisch und mehreren anderen Männern, die sie noch nie gesehen hatte. Zwei von ihnen trugen Heeresuniformen. Ein dritter war in Zivil. Auf dem Tisch lagen ausgebreitet der Inhalt ihrer Handtasche und die Tasche selbst.
    Sie gaben ihr Wasser und erlaubten ihr, dass sie eine abgezählte Dosis Tabletten zu sich nahm. Dann baten sie White Horse, Platz zu nehmen. Sie sagten nicht, wer sie waren, und White Horse rechnete auch nicht damit. Man fragte sie, wer sie sei, und sie antwortete wahrheitsgemäß, weil diese Leute sie ohne Zweifel bereits kannten.
    »White Horse Jordan. Aus Deer Ridge in Montana.«
    Der Zivilist setzte sich vor sie, während die anderen sich hinter ihr aufstellten. Sein grauer Anzug ließ White Horse an Roboter und Staatsbeamte denken. Seine Stimme klang liebenswürdig.
    »Woher haben Sie dieses Gerät?« Er wies auf das schwarze Gehäuse.
    Sie fragte sich, ob sie Rechte besaß, nach denen zu fragen sich lohnte. Nicht einmal ein Rekorder lief. Sie versuchte es gar nicht erst.
    »Ich habe es aus einem unverschlossenen Wagen in Deer Ridge genommen.«
    »Sie haben es gestohlen?«
    Sie bedachte den Mann mit einem nichts sagenden, bewusst ausdruckslosen Blick und schwieg. Was glaubte er denn?
    Er schrieb mit einem Stift auf einem sehr neu und teuer aussehenden Typ von Pad.
    »Warum haben Sie es genommen?«
    »Es war ein Beweisstück«, antwortete sie. »Ich habe es gebraucht, um Anzeige erstatten zu können. Ich wollte nicht auf die Bullen warten.«
    Sie spürte, wie die drei Uniformierten noch aufmerksamer wurden. Der Zivilist notierte ihre Antworten ohne sichtbare Reaktion.
    »Was für eine Anzeige, und gegen wen?«
    »Wegen Körperverletzung mit einer tödlichen Waffe, gegen die Bundesregierung.«
    Nun zuckte es doch um seinen Mund, eine Art Lächeln über ihre Naivität. Vor Wut knurrte White Horse plötzlich der Magen, und dieser unfrohe Laut füllte das Schweigen. Sie trank noch einen Schluck. Erst jetzt überlegte sie, ob vielleicht mehr in dem Becher war als nur Wasser. Zu spät allerdings.
    »So, das hier also war die tödliche Waffe?« Er wies mit dem Stift auf das Gerät, ohne es zu berühren. »Und wo wollten Sie Ihre Anzeige erstatten? Hatten Sie einen Anwalt, der Sie vertrat?«
    »Nein. Ich vertraue niemandem aus meiner Umgebung. Die Staatspolizei hat sie alle in der Tasche. Deshalb bin ich nach Washington gekommen.«
    »Aber dort haben Sie sich auch keinen Anwalt gesucht.« Es war eine Feststellung. Alle sahen sie an.
    Dort? Also war sie nicht mehr im District of Columbia. Das war immerhin eine Information, aber so wenig, dass sie sich deswegen nicht besser fühlte. »Noch nicht.«
    »Worauf haben Sie gewartet?«
    »Ich wollte mich vorher vergewissern, dass mein

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