Mara und der Feuerbringer
Professor und Mara schüttelte den Kopf.
»Dachte ich mir schon, denn sonst hättest du dich nicht bedankt. Aber jetzt zu dem Grund deines Besuchs. Du hast mir da vorhin ein paar sehr seltsame Fragen gestellt, Mara Lorbeer aus der Au. Und ich bin von meinen Studenten wirklich einiges gewöhnt.«
»Tut mir leid«, sagte Mara kleinlaut. »Ich wollte nicht …«
Doch der Professor winkte sofort ab: »Aber nein, du musst dich nicht entschuldigen! Es tut mir leid, wenn ich dich angestarrt haben sollte wie ein Gummistiefel.«
Auch schön, dachte Mara, aber ich fand das Sofakissen trotzdem besser.
»Und jetzt bin ich natürlich gespannt, wie du darauf gekommen bist«, fuhr der Professor fort. »Wie zum Beispiel auf die Frage nach der Frau mit Holzschale im Loki-Mythos. Das ist zugegebenermaßen schon recht ungewöhnlich, wenngleich auch einfach zu beantworten … Oh, entschuldige, vielleicht nimmst du erst mal auf dem Besucherstuhl Platz, denn du sitzt auf den Klausuren meiner Studis … ja, genau, der Stapel daneben, da ist er drunter oder war es zumindest mal … komisch, naja, dann setz dich doch wieder auf die Klausuren, denn die erleben sicher noch Schlimmeres, wenn ich erstmal mit den Korrekturen anfange … So, und jetzt erzählst du mir erstmal, wie du auf diese Fragen gekommen bist.«
Oh nein!, dachte Mara panisch, bis eben ist es doch so gut gelaufen. Er hat schon von selbst angefangen, über Loki zu reden, und jetzt das! Ich soll was erzählen! Von mir! Was mach ich denn jetzt?
Sie blickte kurz auf. Der Professor wartete immer noch! Mann, hatte der eine Geduld! Mist!
Okay, ich muss ja nicht alles erzählen! Ich lass die seltsameren Momente weg und erzähle nur die weniger seltsamen!
Doch sofort fiel Mara auf, dass sie sich an keinen einzigen weniger seltsamen Moment erinnern konnte. Also tat sie weiter das, was sie eh schon tat: Sie schaute auf den Boden und schwieg.
Der Professor wartete noch weitere ewige fünfzehn Sekunden. Dann seufzte er.
»Darf ich dein Schweigen derart auslegen, dass du mir nichts über dich erzählen möchtest?«, sagte er und klang dabei nicht im Entferntesten vorwurfsvoll.
Mara nickte nur stumm.
»Hm, da kann man wohl vorerst nichts machen. Mal sehen, vielleicht erzählst du es mir ja ein andermal. Also widmen wir uns erst einmal dem Loki. Einen Moment bitte.«
Professor Weissinger wendete sich ab, um in dem Stapel neben sich nach etwas zu wühlen.
Mann, stell ich mich grad blöd an!, schimpfte Mara sich selbst in Gedanken. Trotzdem konnte sie einfach nicht anders, sagte weiterhin kein Wort und zog dabei ihren Mund zusammen, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
Als der Professor mit einem abgegriffenen Buch in der Hand wieder auftauchte, blickte er verwundert in Maras verkniffenes Gesicht.
»Hast du jetzt doch den Kakao probiert?«, fragte er, während er in dem Buch blätterte und recht schnell fand, was er suchte. Der Professor hielt Mara das Buch aufgeklappt entgegen. »Kommt dir hier etwas bekannt vor?«, sagte er und versuchte dabei besonders beiläufig zu klingen, was ihm gerade deswegen nicht einmal ansatzweise gelang.
Mara sah eine Doppelseite mit einem Bild vor sich, auf dem die Zeichnung eines grinsenden Mannes zu sehen war.
Das Bild war in Braun und Rottönen gehalten und wirkte irgendwie sehr alt. In der linken oberen Ecke stand irgendetwas in einer seltsamen Schrift und in einer Sprache, die Mara nicht verstand. Um den Text war ein Rahmen gezogen. Der Mann auf dem Bild schien auf die Schrift zu blicken, denn obwohl sein Körper nach rechts gedreht wirkte, war der Kopf rückwärts gewandt. In der erhobenen Hand hielt er eine Art Seil mit einer Schleife oder einem Knoten am oberen Ende. Das Seil hing herab und endete an einem Gitter oder eher einem grobmaschigen Netz, das hinter dem Mann ausgebreitet war.
Mara betrachtete die Figur genauer. Der Kopf war nur von der Seite zu sehen. Mara erkannte einen hellen Bart, der zu mehreren Spitzen zusammengedreht war, und eine ziemlich lange Nase, die fast wirkte wie die einer Kasperlpuppe. Die Mütze, die weite Kleidung mit den gelb-roten Streifen, das Grinsen … alles irgendwie kasperlhaft. Doch da blickte sie dem Mann in das eine sichtbare und tiefschwarze Auge und wusste sofort, wen sie da vor sich hatte! Und bevor sie seinen Namen aussprechen konnte, verlor sich Mara auch schon in der äußerst unkasperlhaften Schwärze der Pupille…
Mara sah sich um und erschrak nicht, als sie das Wasser sah, das sich
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