Mara und der Feuerbringer
eurer Zeit schon zu solchen Erfindungen fähig sind, was müssen dann die Männer erst für Riesen im Geiste sein!«
Das war sicher als eine Art Kompliment gemeint, aber Mara konnte es so auf keinen Fall stehen lassen: »Ach, Herr Loki, Sie wären sicher enttäuscht«, seufzte sie und versuchte dabei, jegliche Ironie aus ihrer Stimme zu verdrängen. »Die Männer haben in den letzten Jahrhunderten echt extrem nachgelassen. Viele von ihnen sind schon erschöpft, wenn sie jeden Abend vom Sofa aus anderen Leuten beim Sport zusehen!«
Loki wirkte sichtlich schockiert: »Du treibst Scherze mit mir!«
»Ganz und gar nicht«, antwortete Mara. »Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen über uns Menschen, denn dafür haben wir Frauen extrem aufgeholt. Also dann, bis bald! Ich komme wieder, sobald ich etwas Neues weiß, und ich verspreche Ihnen, Herr Loki: Wenn ich mir sicher bin, dass Sie tatsächlich keine Gefahr für die Menschen sind, dann werd ich es auch irgendwie schaffen, Sie zu befreien!«
»Warte noch!«, rief Loki ihr zu, bevor sie sich auf das verwüstete Klassenzimmer konzentrieren konnte. »Bitte tritt noch ein letztes Mal zu mir. Ich möchte dir etwas geben.«
Verwundert stellte sich Mara noch einmal an seine Seite. »Bitte leg deine Hände um meine Linke, und hab keine Angst«, sprach er. »Glaub mir, der Loki treibt keine Späße mit dir, denn er weiß, wo seine einzige Hoffnung liegt.«
Mara spürte, dass es ihm ernst war damit, aber trotzdem hatte sie ein mulmiges Gefühl, als sie ihre Hände um Lokis Linke legte und so mit ihm zusammen die Schale hielt. Der Halbgott schloss die Augen und Mara wartete gespannt, was nun geschehen würde.
Ein paar Sekunden lang passierte allerdings rein gar nichts. Mara musste unwillkürlich an ihre Mutter und ihr albernes Handauflegen denken. Wurde halt warm.
Aber was war das? Ein leichtes Kitzeln in den Handflächen? Oder doch nur Einbildung? Schwer zu sagen.
Da öffnete Loki auch schon wieder seine Augen: »Vielen Dank,
Litilvölva
, ich verspreche dir, dich wird dein Vertrauen in den Halbgott nicht reuen.«
Mara konnte den geheimnisvollen Blick, mit dem er sie ansah, nicht einordnen. Was hatte er mit diesem Händchenhalten bezweckt? Oder wollte er nur prüfen, wie sehr sie ihm inzwischen vertraute? Aber es war ihm anzusehen, dass er nicht bereit war, mehr darüber zu erzählen.
Also bohrte Mara auch nicht weiter nach und sagte stattdessen: »Okay, dann danke für … bis bald!«
Und ohne eine Antwort abzuwarten, konzentrierte sie sich auf ihr Klassenzimmer.
Kapitel 7
M ara zuckte zurück, als sie feststellte, dass sie auf Bastis Hand stand. Hoppla, das war aber schnell gegangen, sie hatte sich doch kaum richtig konzentriert!
Mara sah sich um und war trotz des sie umgebenden Chaos erleichtert. Tatsächlich legte sich gerade erst der Staub und es konnte nicht mehr als eine halbe Minute seit dem letzten Beben vergangen sein. Die ersten Schüler rappelten sich sogar schon hustend auf und insgesamt sahen sie eher verwirrt als verletzt aus. Puh …
Mara musste sich erstmal daran gewöhnen, dass sich ihre Mitschüler nun wieder in normaler Geschwindigkeit bewegten. Aber sie hatte sich schnell wieder im Griff und besaß sogar die Geistesgegenwart, sich notdürftig mit Gips- und Ziegelstaub zu dekorieren, um nicht verdächtig sauber auszusehen. Da hörte sie neben sich ein Husten. Es war Basti.
»W … was ist denn passiert?«, stotterte er völlig überfordert und sah sich mit hektischen Blicken in dem verwüsteten Raum um. Da ging es ihm allerdings nicht anders als dem Rest der Klasse, denn zu Maras Erleichterung schien sich tatsächlich keiner zu erinnern, was während ihrer Schwarzäugigkeit passiert war. Doppelpuh …
Es war also genauso wie bei dem dicken Amerikaner in der UBahn. Der hatte ebenso wie alle anderen außer Mara nichts davonbemerkt, dass ein Halbgott durch ihn sprach. Wenn Mara also überzeugend genug mitspielte, würde niemand Verdacht schöpfen.
Wer weiß, wenn unsere Schule irgendwann doch noch eine Theatergruppe hat, mach ich da vielleicht tatsächlich mit, dachte Mara.
Als der Feueralarm urplötzlich losschellte, musste sie allerdings kein Stück schauspielern, um ebenso zusammenzuschrecken wie alle anderen im Klassenzimmer. Da platzte auch schon ein aufgelöster Herr Tonker in den Raum und starrte fassungslos auf das Chaos.
»Ist jemand verletzt?«, rief er und machte sich daran, ein paar der umgefallenen Bänke zur Seite zu räumen,
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