Mara und der Feuerbringer
lachte Loki trocken auf. »Wenigstens löst sich nun auch für mich ein Rätsel, denn so weiß ich nun der kleinen
Völva
einen Namen zu geben, die mich stumm anschaute, kurz bevor der Hammerschwinger mich fing, und ein zweites Mal, als sich der Schlangerich zum ersten Mal aus dem Dunkel wand. Jedoch warst du plötzlich verschwunden und ich hielt dich für ein Trugbild! Meine teuerste Sigyn meinte später, ich hätte vielleicht nur von einer meiner vielen Liebschaften geträumt und wenigstens sei sie ab sofort sicher, die einzige Frau in meinem Leben zu sein, haha!«
Mara fand Sigyns Spruch ganz schön fies, aber sie konnte sich schon vorstellen, was Lokis Frau damit wohl gemeint haben konnte. Sie würde vermutlich ihre Gründe dafür gehabt haben … Aber Mara war ja noch nicht fertig mit ihrer Erklärung. »Wie auch immer, ich will auf keinen Fall, dass dieses Göttergericht über uns hereinbricht, verstehen Sie? Und das Erdbeben, das Sie in meiner Schule ausgelöst haben, war echt ganz schön … krass. Und dann hab ich ja auch schonzweimal die Midgardschlange gesehen, die angeblich bei der Götterdämmerung mitmischt! Einmal, als sie noch, äh, jünger war, und dann noch einmal, als sie schon riesengroß war!«
Täuschte sie sich oder hatte Loki kurz
stolz
ausgesehen, als sie gerade von der Größe der Schlange geredet hatte?
»Und ich will auf gar keinen Fall dran schuld sein, dass dieses Monster plötzlich die Insel Sylt verschlingt. Oder England. Also, das ist der Grund, warum … also, darum will ich, ich meine, darum kann ich nicht …«
» … darum kannst du mich nicht befreien«, vervollständigte Loki ihren Satz. Seine Miene blieb dabei seltsam ausdruckslos.
Mara spürte sofort, wie ihr die Angst im Hals hochstieg, und sie beeilte sich nachzusetzen: »Und ich weiß ja außerdem noch gar nicht, wie eigentlich!«
»Siehst du, und wüsst ich’s selbst, ich läg nicht hier unter dem Schlangerich. Und wüsstest du es, scheint mir deiner Rede nach, du würdest es doch nicht tun«, antwortete Loki und seine Miene war undurchdringlich wie die Felsen, auf denen er lag.
Mara konnte nur nicken und hinzufügen: » … noch nicht, nein. Tut mir leid.«
Der Halbgott sagte einen Moment lang gar nichts. Er schien nachzudenken. Doch dann entspannten sich seine Züge endlich wieder und die beängstigende Ausdruckslosigkeit wich einem Lächeln. »Wahrlich sieht es dem alten Loki gleich, dass er alle Wünsche auf einmal erfüllt haben will, aber er wird sich wohl noch ein wenig gedulden müssen. Du hast mir nicht nur die Schale meines geliebten Weibes gebracht, sondern in mir die Hoffnung genährt, sie tatsächlich eines Tages lebend wiedersehen zu dürfen. Das ist mehr, als ich jemals zu hoffen wagte, und für den Moment will ich damit zufrieden sein, kleine
Völva
. Ich wäre dir wohl sogar einen Dank schuldig, wie mir scheint, aber da musst du dich noch gedulden, denn Dankbarkeitwar noch nie des Loki Stärke und noch fehlt ihm die Übung darin! Aber willst du Zeuge dieses wahrhaft großen Ereignisses sein, komm zurück, mach mich los, und ich will mir redliche Mühe geben, es zu versuchen.«
Dabei grinste er schelmisch und Mara atmete hörbar auf, als sie sicher sein konnte, dass der erwartete Wutausbruch tatsächlich ausblieb. Andererseits hatte Loki ja auch nicht wirklich eine Wahl. Oder hatte er insgeheim doch schon eine Idee, wie er sich selbst befreien würde?
Wie auch immer: Sie würde es nicht herausfinden, indem sie hier unschlüssig stehen blieb! Außerdem wollte sie unbedingt zurück in ihre Klasse, bevor zu viel Zeit verstrichen war.
Sie wollte schon ihren Abschied anmoderieren, da fiel ihr noch etwas ein. Noch einmal trat sie an Lokis Seite. »Ich hab eine Idee, die es Ihnen wenigstens ein bisschen leichter macht«, sagte sie und kramte dabei in ihren Taschen nach den zwei Haarspangen, die sie immer bei sich trug. Die hakte sie in ihren ausgeleierten Haargummi ein und befestigte sie am Rand der Holzschüssel. So spannte sich der Haargummi jetzt unterhalb der Schüssel entlang über Lokis Handrücken, sodass das Gefäß in seine Handfläche gedrückt wurde und ihm nicht so leicht entgleiten konnte.
»Wenn ich zurückkomme, bringe ich irgendwas mit, worauf man die Schüssel abstellen kann«, sagte sie noch, während sie ein paar Haare aus dem alten Haargummi zupfte.
Loki starrte fasziniert auf die improvisierte Sicherungskonstruktion. »Du siehst mich sprachlos,
Litilvölva
. Wenn die Frauen in
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