Mara und der Feuerbringer
um den Weg zur Tür freizumachen. »Bitte keine Panik jetzt, Leute! Steht auf und kommt hier raus auf den Gang!«
Einige Schüler bückten sich wie automatisch zu ihren Jacken und Schulsachen, die zum Teil unter Schutt und Glasscherben begraben lagen. Schon klirrte es laut. Claudi von der ersten Bank vorne rechts zuckte mit einem »Au!« zurück und steckte sich den Finger in den Mund.
»Lasst bitte eure Sachen, wo sie sind, ja?«, rief Herr Tonker mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. »Wenn das Gebäude sicher ist, können wir die immer noch holen. Und wenn nicht, dann ist es besser, ihr seid schnell in Sicherheit. Also los jetzt, raus, raus, raus! Mara, alles in Ordnung mit dir? Sehr gut, dann hilf doch bitte mal Basti aufzustehen! Er hat wohl irgendwas an der Hand.«
Das Adrenalin in Maras Körper ließ langsam nach und ihre Schmerzen meldeten sich zurück. So musste sie schließlich gar nicht mehr so
tun
, als wäre sie ebenso angeschlagen wie ihre Klassenkameraden. Der blau gefleckte Arm begann wieder zu pumpen und jetzt dröhnten auch wieder die Kopfschmerzen in ihrem Schädel.
Sie war heilfroh, als sie zusammen mit den anderen im Pausenhof ankam. Im Hof war die Evakuierung des Schulgebäudes in vollem Gange und verlief nicht ganz so planvoll, wie die Lehrkräfte sich das wohl gewünscht hätten. Die Schule erbrach Menschen aus allen Öffnungen, so als hätte sie sich an ihnen den Magen verdorben. Im Hinblick auf ihren eher ungenießbaren Sportlehrer konnte Mara das sogar recht gut nachvollziehen …
Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis alle Schüler und Lehrer durchgezählt waren und man festgestellt hatte, dass tatsächlich niemand fehlte. Mara gab sich Mühe, nicht allzu erleichtert zu wirken, aber natürlich fiel ihr ein Stein von der Größe der Zugspitze vom Herzen.
Plötzlich schloss sie jemand überschwänglich in die Arme und Mara erkannte erst nur an der Stimme, dass es sich um Professor Weissinger handelte: »Mara, Mara, Gott sei Dank, ich habe die Nachricht von dem Beben im Radio gehört! Ist alles in Ordnung? Bist du verletzt?«
Mara war nicht gerade der Typ für Umarmungen, aber nach dem ganzen Irrsinn tat es einfach nur gut.
Irgendwann sagte sie aber doch: »Mgsdmpf.«
»Bitte was?«, fragte der Professor, registrierte dann aber doch recht schnell, dass er zur Verbesserung der Sprachverständlichkeit nur seinen Griff etwas lockern musste.
Mara hob den Kopf aus seinem Mantel und atmete erst einmal ein. Dann wiederholte sie: »Mir geht’s soweit ganz gut!«, und setzte noch nach: »Ich glaube, es ist niemandem was Schlimmes passiert. Vielleicht verschwinden wir erst mal von hier. Wenn ich Ihnen nämlich nicht gleich alles erzähle, platzt mir noch der Kopf!«
Professor Weissinger nickte nur, und die beiden wollten sich gerade um die Ecke stehlen, als direkt vor ihnen ein Streifenwagen derPolizei mit heulender Sirene bremste. Schon durch die Windschutzscheibe erkannte Mara das erstaunte Gesicht der Polizistin, die gestern noch in ihrem Wohnzimmer gestanden hatte.
Mist!, dachte Mara, aber da war es schon zu spät. Frau Gassner und der dicke Kornbichel waren bereits ausgestiegen und die Polizistin musterte Mara und den Professor so misstrauisch, als hätte sie die beiden im Verdacht, gerade persönlich das Erdbeben ausgelöst zu haben.
Und so falsch hätte sie damit gar nicht gelegen, dachte Mara grimmig, ließ sich aber nichts anmerken und sagte stattdessen: »Hallo, Frau Gassner.«
»Hallo, Mara Lorbeer«, antwortete die Beamtin, und der Polizist neben ihr nickte nur, eilte dann aber sofort einem Lehrer zu Hilfe, der ihn eilig heranwinkte.
Inzwischen waren weitere Streifenwagen und zwei Notärzte eingetroffen und im selben Moment bogen noch drei Fahrzeuge der Feuerwehr und ein kleiner Bus mit der Aufschrift THW um die Ecke. Mara war froh, dass weder die Sanitäter noch die Feuerwehr viel zu tun haben würden, sagte aber natürlich kein Wort.
»Was ist hier passiert?«, fragte die Polizistin in einem etwas zu scharfen Ton, aber Mara bemerkte auch, dass die Frau im selben Moment spürte, dass dazu keine Veranlassung bestand. Entsprechend sanfter wandte sich Frau Gassner dann auch an Professor Weissinger: »Ist sie in Ordnung oder braucht sie ärztliche Hilfe?«
»Nein, ich denke, abgesehen von ein paar blauen Flecken ist alles okay. Oder, Mara?«, antwortete der Professor.
»Ja, aber ich glaube, ein paar andere aus meiner Klasse sind verletzt. Wir sind aber alle
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