Márai, Sándor
»gab’s eine gute Sache«.
»Und zwar?«
»Nun, das Gesetz«, entgegnet er geheimnisvoll. »Das Gesetz, mein Sohn.«
ECKERMANN
Aus den Gesprächen ist nicht zu erfahren, mit welchen seiner Charaktereigenschaften oder Fähigkeiten er Goethes Sympathie gewonnen hat. Sein Urteil war zaghaft und schulmeisterlich. Er war selbst gründlich, umsichtig, ja; das Genie, mit dem er täglich Umgang pflog, hat er sich so sorgfältig und fachkundig angesehen wie ein Astronom den Meteoriten: sein Gewicht gemessen, den Inhalt analysiert, seine Eigenheiten konstatiert. Nur das Unendliche in ihm spürte er nicht.
Der Goethe, den Eckermann uns vorstellt, erinnert ein wenig an Börnes »Exzellenz«. Sicher, er spricht voller Hochachtung über ihn. Es ist nicht anzunehmen, dass Eckermann, die ergebene Seele, das olympische Genie über die Maßen gehasst hat. Gern misst er seine Meinung an Goethes Urteilen und stellt zufrieden fest, dass ihre »Ansichten übereinstimmten«. In solchen Fällen wirkt ihr Dialog so, als disputierten zwei Schulinspektoren über das Weltall, unter besonderer Berücksichtigung des Lehrplans.
Schließlich hat er ihm aber doch alles geopfert: sein Leben, seine literarischen Ambitionen, das Glück der Liebe, und er duckte sich im Schatten des Genies, ein wenig fröstelnd in der kühlen Unsterblichkeit, bescheiden und aufmerksam. Und was er schuf, wurde Teil des Goetheschen Gesamtwerkes. Sein Name ist ein Begriff wie ein Ausflugsziel. Den Faust hat er nicht geschrieben, aber er gehörte zu den Ersten, die ihn rechtzeitig guthießen. Er lebte an Goethe wie die Mistel am Baum. Doch aus größerer Entfernung merken wir, dass er bereits Teil des Ganzen ist und organisch dazugehört.
LANGEWEILE
Ich werde sterben und bin nie glücklich gewesen. Hatte keinen einzigen guten Tag, an dem ich mich locker, leicht und schuldlos gefühlt hätte.
Ich werde sterben und habe stets Langeweile empfunden. Auch die Literatur langweilt mich. Ich weiß fast alles und kann es ihnen nicht sagen. Nicht nur sie verbieten es; auch ich versage es mir.
SCHREIBEN
Geh ganz nah an das heran, worüber du sprichst. Schau es dir aus unmittelbarer Nähe an, von allen Seiten. Nimm es in die Hand, betrachte es durch die Lupe, schmecke und befühle es. Und dann, wenn du schon alles darüber weißt, wirf es weg, vergiss es. Dann träume davon. Und danach schreibe darüber.
Doch das Schreiben ist auch etwas anderes als die Wahrheit. Es enthält noch irgendein lockeres, leichtes Bindemittel.
Täglich schreiben. Voll Demut denken; aber würdevoll schreiben. Jeden Tag etwas wegwerfen. Manchmal nur ein Wort, eine wiederkehrende Fügung. Den Gedanken von der Leidenschaft des Gefühls säubern. Es reicht nicht zu beobachten; man muss auch vergessen können. Es gibt Autoren, die wie eine Elster sind und alles für sich einsammeln, was glänzt. Das Leben hat, leider, nichts »Romanhaftes«. Romanhaft ist nur der Roman.
»Der Roman riecht nach Leben?« So öffnet schleunigst die Fenster!
Schreiben bis in den Tod. Alles vergeht, verliert seinen Geschmack, seinen Duft. Sterben: zwischen zwei Prädikaten.
PROTEST
Ich kann nur noch dem Menschen Glauben schenken, der es wagt, direkt und persönlich einem anderen zu helfen: mit ein paar Pengő*, mit ärztlichem Rat, mit einem Kuss, einem guten Wort. Glaube dem, der zu einem elenden Kranken geht und ihm ein Glas Eingemachtes bringt. Dem, der einem in Not Geratenen einen Brief schreibt und zehn Pengő hineinlegt; der zu einem Betrüger oder Politischen ins Gefängnis geht, eine Besuchserlaubnis beantragt und im Sprechzimmer leise mit ihm redet; ihm anderntags eine Portion Pörkölt* bringen lässt und eine Thermosflasche mit Milchkaffee. Ich glaube keinem Propheten und Politiker, keinem, der die Massen, ja die Menschheit erretten will, der vollmundig verspricht, sich »mit allen Konsequenzen, vor dem Richterstuhl der Geschichte« und »für die Allgemeinheit« zu opfern. Alles Trug und Lüge. Aber ein paar Pengő geben, wenn wir wissen, dass der Bettler noch nicht zu Abend gegessen hat, oder jemanden nach Pesterzsébet begleiten und in der Straßenbahn mit ihm über sein Elend, seine Traurigkeit oder Einsamkeit reden: Das ist die Wirklichkeit. Ich protestiere gegen die öffentlichen Interessen. Glaube nur noch an die Privatangelegenheit.
FREMDER WEIN
Am Abend trank ich deutschen Wein. Sein Geschmack ist kühl und rein. Er lullt nicht ein, sondern wirkt eher belehrend. Sein Rausch reizt zum Zweifeln und
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