Marathon Mosel
Außerdem hatte sich sein Rechner nicht hochfahren lassen. Grabbe versuchte schon seit einer Viertelstunde, den Fehler zu beheben.
»Was ist los?«, fragte Gabi.
»Kleines Starterproblem. Ich hab’s gleich.« Grabbe strahlte beste Laune aus.
»Hat Robert was an deinem Computer verbockt?«, fragte Gabi.
»Nein«, war Waldes knappe Antwort.
Gabi legte einen Bildband auf Waldes Schreibtisch.
»Was ist das?«, fragte Walde.
»Ein Bildband über Trier.«
»Das sehe ich. Wo kommt der her?«
»Den hat mir der Kollege mit dem besser unausgesprochen bleibenden Namen übergeben.«
Walde blätterte in dem Buch: »Schöne Fotos! Aber was soll …« Er war zu den Seiten gelangt, zwischen denen ein loses Blatt lag. Als er sich über die helle Schwarz-weiß-Kopie beugte, brauchte er eine Weile, bis er realisierte, was er sah. Es waren Dom und Liebfrauen, die da im Zentrum zu erkennen waren. Aber da stimmte was nicht! Die Glockentürme hatten keine Dächer. Neben den Häusern lagen Haufen von Streichhölzern. Allmählich wurde ihm klar, dass es sich um ein dicht über der Innenstadt aufgenommenes Foto nach einem Bombenangriff handeln musste. Die Streichhölzer waren Dachbalken, die Schindeln schienen wie weggeblasen.
»Ist die aus dem Lager des Kampfmittelräumdienstes?«
»Nein. Das Foto hat der, dessen Name keine Gnade vor …«
»… jaa, Robert …«, ergänzte Walde.
»… aus dem Hotel Kaiser Konstantin. Dort hat bis letzten Samstag ein Ben Hedin gewohnt. Er war vor etwa sechs Monaten schon einmal dort zu Gast.«
»Gibt es Genaueres?«
»Dazu würde ich gerne Robert rufen. Wenn du mir noch vorher sagst, was dir, außer dem Neid auf seinen üppigen Oberlippenbart, an ihm missfällt.«
»Hast du heute Morgen das Foto auf Seite eins der Tageszeitung gesehen?«
»Klar, unseren Tatort am Kampfmittellager.«
»Ich vermute, das war nicht nur unser Tatort, sondern auch unser Foto.« Walde wartete einen Augenblick, bevor er hinzufügte: »Und wer hat dort fotografiert?«
»Darf ich?« Gabi griff bereits nach dem Telefon auf Waldes Schreibtisch. Ihr Daumen sauste über die Tastatur. »Ja, hallo, Rob, kommst du bitte mal rüber, ich bin bei meinem Chef«, sie grinste Walde an. »Ach, Rob, kannst du auch die Karte mitbringen, auf der du gestern die Tatortfotos aufgenommen hast, sei so lieb.« Die letzten Worte hatte sie geflötet, als würde sie in einem auf Gewinnmitteilungen spezialisierten Call-Center arbeiten.
Es klopfte an der Tür. Nach einer Höflichkeitssekunde kam Rob herein.
»Erzähl uns bitte, was du über diesen Ben Hedin herausgefunden hast.«
Robert nickte Walde und Grabbe zu. Er nahm einen kleinen Notizblock aus der Innentasche seiner Jacke, wie sie die Cops in amerikanischen Filmen benutzten.
»Also«, begann Rob seine Ausführungen. »Ich kannte bisher nur den Sven Hedin, von dem habe ich als Junge ein paar Entdeckergeschichten gelesen. Die Bücher waren von meinem Vater, der hat auch schon …«
»Du meinst, der Name ist falsch.«
»Weiß ich nicht, das wird zur Zeit von Interpol geprüft. Er ist marokkanischer Staatsbürger, zweiundvierzig Jahre alt, zirka ein Meter siebzig groß, nicht dick, nicht dünn, dunkles, leicht lockiges, kurzes Haar, Schnurrbart, sonst glatt rasiert, freundliches Äußeres, gepflegt, spricht fließend deutsch, gute Manieren, unauffällige Kleidung, Stoffhosen, Hemden …« Robert schlug das Blatt um. »Ach ja, er trug meistens eine dunkelblaue Schirmmütze, wenn er das Haus verließ.« Robert blätterte weiter: »Die Frau an der Rezeption hatte eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe, ich zitiere sie wörtlich: ’Der Mann trug dezente Kleidung, die es ihm ermöglichte, ohne Misstrauen in Bezug auf seine Zahlungsfähigkeit zu erregen, in den besten Hotels abzusteigen und dennoch in einem Billigkaufhaus nicht den Eindruck zu erwecken, er habe sich verlaufen’.«
»Und das Buch stammt aus dem Zimmer, in dem er gewohnt hat?«, fragte Walde.
»Kann natürlich sein, dass die Kopie schon vorher im Buch war. Aber nach der Sache am Munitionslager, wo genau diese Fotos archiviert sind …« Robert drehte das Buch um und klappte es hinten auf. »Da ist noch was.« Ein Block mit feinem Hotelbriefpapier befand sich zwischen der letzten Seite des Bildbandes und dem Einband.
Walde schlug den Block auf. Die ganze Seite war mit Bleistift schraffiert. Als er sich näher darüber beugte, entdeckte er eine Reihe mit Buchstaben und Zahlen, die sich hell abzeichnete. DN – 41NV7 las
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