Marathon Mosel
Jahren getan, dachte Ben.
»Ich kann fünfzehn Euro geben.«
»Wir sind hier nicht auf dem Basar! Zeigen Sie mir Ihren Ausweis oder Führerschein.«
»Ich habe keine dabei. Und zu Geld dazu Uhr. Komme nächste Woche zu Verkehrs …«, ihm fiel das Wort nicht mehr ein, »und bezahle Rest.« Ben streifte sein Uhrband über das Handgelenk.
»Vielleicht auch noch ein Halskettchen?«
Ben überlegte.
Der Kontrolleur beugte den Kopf in einer gespielten Entschuldigung. »Sollte ein Scherz sein …« Weiter kam er nicht, denn plötzlich wurde alles um ihn herum dunkel. Er sackte seitwärts in die Hecke, wo seine Brille bereits gelandet war.
*
»Du willst damit sagen, dass du Roberts Fotos an die Presse weitergegeben hast?«, fragte Walde.
»So ist es«, bestätigte seine Kollegin Monika, während sie sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch setzte.
»Warum?«
»Ich bin Pressesprecherin, das ist mein Job.« Sie klang entspannt.
»Du bist Sprecherin, nicht Fotografin.«
»Ich war jemandem einen Gefallen schuldig. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.«
»Willst du Robert decken?«
»Nein, warum sollte ich?«
»Hat Gabi dich gebeten, Robert zu helfen?«
»Hör’ mal, Mister Misstrauisch, es ist, wie ich gesagt habe.« Sie legte sich die Hand wie zum Schwur auf die linke Brust. »Ich habe die Fotos von Robert angefordert und sie dann an die Tageszeitung weitergeleitet. Das ist nichts Ungewöhnliches, das wird öfter so praktiziert, zum Beispiel bei Unfällen.«
»Ich frag’ mich, warum ausgerechnet das Zeitungsfoto auf Roberts Karte gelöscht war.«
Monika seufzte. »Wir haben einen Mordfall mit sehr dürftigen Anhaltspunkten, eine Terrorwarnung für eine in wenigen Tagen stattfindende Großveranstaltung. Sollen wir da wirklich unsere Energie mit solchen Lappalien verschwenden?«
*
An dem aufsteigenden Gelände des Friedhofs hetzte Ben an einem in grobe Bretter gefassten Abfallbehälter vorbei, aus dem verblühte Blumen und Gestecke quollen. Weiter oben fand er den Abschnitt am Zaun, wo die Gräber der Verstorbenen der Jahre 1985 und 1986 lagen. Ben packte die Hacke aus dem Rucksack. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, ob ihm jemand folgte.
Er benutzte die Hacke als Hebel, um die dunkle Marmorplatte, die flach auf dem Grab lag, anzuheben und die Plastiktüte darunter hervorzuziehen. Sie war schwer. Er war froh, dass die Trageschlaufen nicht rissen. Als er den Weg hinuntereilte, hörte er den Bus kommen.
Kinder drängten sich an der Bushaltestelle. Ben stieg hinter ihnen ein. Ein Krankenwagen jagte mit eingeschalteter Sirene vorbei. War auch die Polizei schon unterwegs?
Falls sie den Bus kontrollierte, konnte Ben mit seinen vierzehn Kilo Goma-2 alle Insassen zur Hölle fahren lassen und selbst auf direktem Weg ins Paradies gelangen. Aber seine Zeit war noch nicht gekommen, er hatte noch einen Auftrag zu erfüllen.
*
Annika ruderte erfreut mit den Armen, als Walde in die Küche kam. Sie saß mit gelb-grün verkleckertem Lätzchen und einem in den gleichen Farben umrandeten Mund im Hochstuhl, vor sich ein Schälchen, aus der Doris ihr den letzten Rest einlöffelte.
Walde beugte sich hinunter und gab Mutter und Kind einen Begrüßungskuss.
»Philipp hat angerufen und nach dir gefragt.« Doris band Annika das Lätzchen ab und wischte ihr damit über den Mund, wogegen sich das Kind heftig wehrte.
Walde hob seine Tochter aus dem Stuhl und schnappte sich ein sauberes Tuch von der Stuhllehne, bevor er mit ihr auf die Terrasse hinausging. Doris machte es sich in einem Liegestuhl bequem.
»Sicher wollte er wissen, wann es mit den Bassstunden weitergeht. Mist, das ist seit dem letzten Mal schon bestimmt einen Monat her, dass …«, Annika spuckte Gemüse auf ihr Hemdchen. Walde versuchte, es mit dem Tuch wegzuwischen. »Ich hab’ im Moment einfach keine Zeit. Ich ruf Philipp morgen zurück.«
»Na, wollen wir Ball spielen?« Walde setzte das Kind auf den Rasen, mit dem Rücken an den Rand des Planschbeckens, und fischte einen kleinen Ball aus dem nur wenige Zentimeter hohen Wasser, in dem Grashalme und tote Mücken trieben.
»Pass auf, sie hat gerade erst gegessen.«
»Ich hab’ an Sitzfußball gedacht, es war keine Rede davon, das Kind über die Wiese zu hetzen oder ein Elfmeterschießen zu veranstalten.«
»Bist du schlecht gelaunt?«
»Nein, wieso?« Walde rollte den Ball auf das Kind zu. Er blieb zwischen ihren speckigen Beinen liegen. Sie patschte mit beiden Händen darauf. »Wann ist eigentlich
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