Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marathon Mosel

Marathon Mosel

Titel: Marathon Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
Vom Netzwerk:
mit ausgestreckten Armen eine nach der anderen ab. Für ein paar Minuten lag er schwer atmend auf der Seite. Wenn er sich übergeben müsste, würde er es vielleicht nicht bis zum Bad schaffen.
    Er konnte unmöglich aufstehen. Der Zeitrahmen war zu knapp, um noch eine Nacht zu verlieren. Er hatte es vermasselt. So wie er zuvor in Berlin und in Koblenz gescheitert war. Nur hatte er diesmal einen Menschen getötet.
    Eine Weile döste er. Nach der Ruhe auf der Straße zu urteilen, war es tief in der Nacht. Auf seiner Armbanduhr war das Zifferblatt nicht zu erkennen. Ben rappelte sich hoch, wankte zum Fenster, zog die Gardine zur Seite und öffnete einen Flügel. Die kühle Nachtluft ließ ihn die verschwitzten Haare spüren. Er konnte nicht lange darüber nachdenken, warum er zum Fenster gegangen war. Sich beide Hände vor den Mund haltend, stürzte er ins Bad. Nachdem er sich übergeben hatte, lag er auf dem Boden, die schweißige Stirn an die kühlen Fliesen gedrückt.
    Das Ticken seiner Armbanduhr war das Erste, was wieder in sein Bewusstsein drang. Zwei Uhr dreißig. Er rappelte sich auf. Beim Zähneputzen war ihm, als kratze er mit der Bürste im Gehirn. Aber der schlechte Geschmack verschwand. Er schaffte es, zwei in Wasser aufgelöste Kopfschmerztabletten hinunterzuspülen, ohne sich gleich wieder übergeben zu müssen.
    Noch während er das Werkzeug zusammensuchte, ließen die Kopfschmerzen ein wenig nach. In der Küche trank er ein Glas Wasser. Im Kühlschrank stand ein Schälchen mit Safranreis und Geflügel vom Vortag. Als ihm der Geruch in die Nase drang, schloss er schnell wieder den Deckel.
     
    Die Haustür knarrte. Ben hielt sie mit dem Ellenbogen offen, während er das Rad hinausschob. Die aus der linken Satteltasche ragende Stange des Magnetometers schrammte am Holz vorbei.
    Das Fahren in gemäßigtem Tempo tat seinem Kreislauf gut. Tief atmete er die frische Nachtluft ein. Ganz allmählich verschwand die Übelkeit.
    Im Park und vor den Kaiserthermen war es still. Ben lauschte, als er das Rad am Eingang entlangrollen ließ. Keine dumpfen Bässe, kein Gelächter. In der Ferne heulte die Sirene eines Rettungswagens. Ben schob das Rad hinter eine bis an die alte Stadtmauer wuchernde Hecke.
    Zusätzlich zu dem schweren Rucksack musste er die beiden durch einen Mittelsteg verbundenen Satteltaschen über der rechten Schulter tragen. Schon nach wenigen Schritten perlte der Schweiß über seine Stirn. Am Eingang hängte er die Satteltaschen über das Tor und kletterte hinüber. Als er die Taschen wieder herunter zog, fehlte ihm die Kraft, sie sich über die Schulter zu werfen. Mit gebeugtem Rücken schleppte er sich bis zu der nach unten führenden Treppe, auf der er sich erschöpft niederließ.
     
    Mit dem hochtourigen Akkubohrer kam Ben schnell voran. Innen ließ er zwei der Bohrlöcher frei, wohin das Gestein einbrechen sollte, so dass die Umgebung nicht zu stark erschüttert würde. Ben drehte die Kurbel des Kästchens. Dann presste er die Zeigefinger auf seine Ohren, den Mund ließ er offen. Auf dem Boden, dicht an der Wand kauernd, hatte er sich die Satteltaschen wie ein Zelt über den Kopf gestülpt.
    Der Schall und die Druckwelle der Explosion trafen ihn gleichzeitig. Tief in seinem Kopf schwang ein heller Ton nach, als habe jemand vergessen, in seinem Gehirn einen Wecker abzustellen.
    Ben zog sich den Pulli bis zur Stirn hoch, um Nase und Augen vor dem beißenden Pulverrauch und der Staubwolke zu schützen. Es dauerte lange, bis die Taschenlampe den Nebel durchdringen konnte. Ben hustete in den Pulli.
    In dem schmalen Gang türmte sich ein Steinhügel. Bitte nicht bis zur Decke, hoffte er, als er den Lichtstrahl weiter nach oben richtete. Nein, über dem Hügel war noch freier Raum. Aber was war das? Dahinter ragte Mauerwerk aus den Trümmern, ohne eine Öffnung.
    Ben kletterte auf die nachgebenden Steine. Der Länge nach legte er sich auf den Hügel. Mit seinem nach oben gestreckten Arm erfasste die Taschenlampe die eingestürzte Decke, über der sich eine zweite wölbte, vollkommen in der gleichen Technik wie die erste gefertigt.
    Wenige Minuten später rutschte Ben auf der anderen Seite, Rucksack und Satteltaschen hinter sich herziehend, herunter. Ein kühlender Luftzug wehte den Staub vor sich her. Vor ihm tat sich ein weiterer Gang auf. Er war so schmal, dass Bens Schultern gerade zwischen die Mauern passten. Er musste den Oberkörper vorbeugen, um nicht mit dem Kopf an die Decke zu stoßen.

Weitere Kostenlose Bücher