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Marathon Mosel

Marathon Mosel

Titel: Marathon Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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ließ sich Zeit.
    »Eindeutig, das war nach dem Angriff vom 14. August 1944.« Er legte eine Hand ans Kinn. »Es passierte um die Mittagszeit und hat nur wenige Minuten gedauert. An die 20.000 Stabbrandbomben wurden abgeworfen und nur wenige Sprengbomben. Der Dombereich wurde am stärksten zerstört.«
    »Wie können Sie sich mit dem Datum so sicher sein?«
    »Das ist seit dreißig Jahren mein Job. Ich könnte damit bei ’ Wetten dass’ auftreten, wenn es nicht so makaber wäre.«
    »Was sagt Ihnen dieses Bild noch?«
    »Was sagt es noch?«, wiederholte er. »Dom, Liebfrauen, Basilika, Kurfürstliches Palais schwer getroffen … ich interessierte mich ja mehr für diese kleinen Dinger da.« Er deutete mit dem Finger auf die Kopie.
    »Was?« Walde beugte sich über den Plan.
    »Hier«, der Mann nahm einen Stift aus seiner Jackentasche, deutete mit der Spitze auf den freien Platz vor dem Dom und hielt die Lupe darüber. Walde erkannte ein Tohuwabohu aus Gebälk und Schutt.
    »Sehen Sie diesen kleinen Krater?«
    »Ja?«
    »Das sieht mir ganz nach einem Blindgänger aus. Etwa jede zehnte Bombe ist nicht explodiert, hat aber ihre volle Sprengkraft behalten.«
    »Und die haben sie dann geräumt.«
    »Mehr oder weniger. Ich bin erst Mitte der siebziger Jahren zum Kampfmittelräumdienst gekommen. Da war dieser Kram hier«, er deutete auf die Kopie, die nun Walde in der Hand hielt, »längst weg.«
    »Das heißt, die Luftaufnahmen waren bereits ausgewertet?«
    »Ja, aber die haben eigentlich nur bei Aufnahmen auf freiem Feld weitergeholfen. In Bebauungszonen waren Blindgänger anhand von Luftbildern kaum auszumachen. Dazu kam, dass die Aufklärungsbilder erst nach den Angriffen gemacht wurden. Da waren viele Trichter von Blindgängern bereits wieder von nachfolgenden Detonationen verschüttet.«
    »Das heißt, es liegt noch einiges im Boden.«
    Der Mann nickte: »Heute rücken wir nur noch aus, wenn bei Erdarbeiten etwas gefunden wird.«
    »Und wie viele Bomben haben Sie schon entschärft?«
    »Hab’ ich nicht gezählt. Aber die sind natürlich aufgelistet.«
    »Wie viel steckt denn noch im Boden?« Walde öffnete das Fenster. Mit dem Morgenwind wehte das Brummen eines Flugzeugs herein.
    »Da müsste man mal nachrechnen. Etwa zweitausend Tonnen Bomben sollen bei den zehn größten Angriffen auf Trier abgeworfen worden sein. Wenn zehn Prozent davon Blindgänger waren, wären das zweihundert Tonnen.« Die Fältchen erschienen erneut auf seiner Stirn. »Ich denke, davon ist vielleicht ein Viertel gefunden worden.«
    »Das heißt, wir haben noch 150 Tonnen Sprengstoff unter uns?« Harry schüttelte ungläubig den Kopf.
    Der Mann reagierte mit Schulterzucken.
    »Und wie gefährlich ist das?«
    »Solange man die Zünder in Ruhe lässt, dürfte nichts passieren, außer …«, er zögerte.
    »Außer?« Waldes Handy klingelte. Wieder zeigte das Display Philipps Nummer. Hatte er denn heute Vormittag keine Schule? Walde steckte das immer noch klingelnde Telefon wieder ein. »Entschuldigung, fahren Sie bitte fort.«
    »Es sind auch Bomben mit Säurezündern abgeworfen geworden. Wenn die durchrosten, könnte es brenzlig werden.«
    »Wie bitte?«
    »Wenn bei einem Blindgänger durch Korrosion die Säure mit dem Sprengstoff in Berührung kommt, dann …« Der Mann klatschte die Hände zusammen und fuhr damit in die Höhe. »Dann macht es peng!«
    »Und die Bomben sind heute noch scharf?«
    »Hm.«
    *
    Zurück in seinem Büro legte Walde das Handy auf den Schreibtisch. Die Mailbox hatte eine Nachricht. In seinem gewohnt entspannten Tonfall bat Philipp um Rückruf.
    »Philipp, was gibt’s, ich bin etwas im Druck.« Walde wechselte das Telefon in die rechte Hand und schaute auf seine Uhr.
    »Ja klar, das Verbrechen schläft nicht, nimmt nie eine Auszeit, ist überall und unberechenbar.«
    War Jos Sohn bekifft, und das schon am frühen Morgen? »Du, Philipp, also das Zeug, das vor zwanzig Jahren konsumiert wurde, soll ziemlich harmlos gewesen sein gegenüber dem Stoff, der heute auf dem Markt ist. Cannabis soll durch Zuchterfolge, Genmanipulation und all diesen Scheiß bis zu zehnmal stärker sein als der Kram …«
    »… der zu den Zeiten in Umlauf war, als mein Vater und du und Bill Clinton noch nicht über die Lunge geraucht haben, ja, ja.«
    »Ich rede nur von mir …«
    »… das heißt also, dass mein Vater damals schon über Lunge gekifft hat.«
    »… nein, das soll es natürlich nicht heißen und auch nicht, dass er es heute immer

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