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Marathon

Marathon

Titel: Marathon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Frangenberg
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er
darauf gehofft, noch am Abend einen Phantombild-Zeichner
herschicken zu können. Die Idee kam ihm nun ziemlich naiv vor.
Hier war ein Profi am Werk. Oder zumindest jemand, der seine Taten
sehr professionell vorbereitet hatte.
    Wo lernt man, so
schnell zu fesseln?, dachte er, während er durch den langen
Flur zum Ausgang ging. Wo, so zu töten? Irgendwo im
Krieg?
    Draußen wehte
ein frischer Wind. Ein Genuss nach zweieinhalb Stunden Krankenhaus.
Er atmete tief durch.
    »Und dann diese
Zahlen. Elf und Zweiundzwanzig. Was sollte das? Zweiundzwanzig ist
das Doppelte von elf. Ja und?«
    Er schlenderte die
Severinstraße hinauf, an deren Ende er sein Auto geparkt
hatte. Er erwischte sich dabei, wie er wie Remmer von Schaufenster
zu Schaufenster spazierte und darauf hoffte, so etwas über die
Stadt und ihre Menschen zu lernen. Die Auslagen hinter Glas zeugten
noch von einer gewissen Ursprünglichkeit: Wurst, Fleisch,
Bücher und Gemüse. Doch auch diese alte kölsche
Straße, das Herz der Stadt, wie viele behaupteten,
veränderte sich. Wie eine düstere Prophezeiung kam es ihm
vor, dass die Kölner Verkehrs-Betriebe in einem der
Ladenlokale ein Bürgerbüro eingerichtet hatten. Hier
hatte mal etwas anderes im Schaufenster gelegen als Reklame
für die neue U-Bahn, die durch den Untergrund fahren sollte.
Die Planer und Bauarbeiter des neuen Tunnels hatten sich
mittlerweile eindrucksvoll bei der Nachbarschaft vorgestellt, indem
sie dem Viertel letzte Woche einen schiefen Turm als
Touristenattraktion beschert hatten. Beim Bohren eines
Versorgungsschachts war der Kirchturm von St. Johann Baptist
abgesackt. Keiner wollte es gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft
ermittelte wegen eines Verstoßes gegen das
Baurecht.
    Da wird nicht viel bei
rauskommen, dachte Gröber.
    Der Turm war mit
Stahlstützen gesichert worden, damit er nicht umfallen konnte.
Der Eingang der Kirche stand offen, als er vorbeikam. Vor der Tür parkte
ein Streifenwagen. Gröber betrat das Innere der steinalten
Kirche, von der der Zweite Weltkrieg nur wenig übrig gelassen
hatte. Nur eine Wand eines Seitenschiffs und Teile des
Mittelschiffs waren stehen geblieben. Man hatte beim Wiederaufbau
das Alte mit dem Neuen zu verbinden gesucht. Ein Mann kam auf ihn
zu.
    »Sie dürfen
hier nicht rein. Die Kirche ist noch aus Sicherheitsgründen
geschlossen. Wir haben nur für den Gutachter geöffnet,
der sich das hier mal ansehen soll. Sie wissen schon, wegen der
Ermittlungen und so«, erklärte der Mann höflich,
von dem Gröber vermutete, es sei der Küster.
    Er zog seinen
Dienstausweis aus der Tasche und log: »Deshalb bin ich
hier.«
    Er setzte sich in eine
Bank der Kirche, von der vor dem Unfall kaum ein Kölner
groß Notiz genommen hatte. Im Altarbereich flüsterte der
mutmaßliche Küster mit dem Gutachter. Draußen
rauschte der Verkehr über die Severinsbrücke vorbei. Eine
einsame Kerze flackerte vor einer alten, sitzenden
Madonna.
    Vielleicht hat die der
Chef des Verkehrsunternehmens entzündet, dachte Gröber,
so viele dürfen hier ja nicht mehr rein. Und der kann es wohl
gebrauchen.   
    Er lehnte sich in der
Holzbank zurück und ließ seinen Blick über
Deckenbögen wandern. Ein Raum der Stille mit einer einzigen
Kerze. Jedes kleinste Geräusch, die vorsichtigen Schritte der
anderen Männer in der Kirche, ihr Gemurmel wirkte wie
tausendfach verstärkt. Ein Ort zum
Nachdenken.       
    Weil die Welt so laut
ist, wirkt die Stille heilsam, dachte Gröber, den Kopf im
Nacken, während ihm die Augenlider schwer wurden. Er streckte
die Beine aus.
    Wer tut so was? Wenn
es ein Profi war, warum macht er dann nicht einfach seinen Job?
Geht rein, sticht zu, geht wieder raus und Feierabend. Warum dieses
Theater? Warum schleppt er die Toten in irgendwelche Einfahrten
oder steckt sie in einen geklauten Citroën? Warum malt er mit
Blut Zahlen an die Wände?
    Die schwache
Beleuchtung in der Kirche schien es dem Gutachter schwer zu machen.
Er hatte eine starke Stablampe dabei, mit der er offensichtlich nach
Rissen in den Wänden suchte. Der Lichtkegel tanzte über
die schwarzen Wände. Gröber ließ sich
ablenken.
    Muss es dafür
dunkel sein?, fragte er sich. Vielleicht hat er sich ja in
Köln verfahren oder keinen Parkplatz gefunden. Und ist jetzt
leider zu spät, um im Hellen nach Rissen zu suchen.
    Er musste leise
lachen.
    Vielleicht muss man
aber einfach nur den Blickwinkel auf eine Sache ändern, um
klarer zu sehen. Die Wände absuchen nach Spuren

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