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Marc Levy

Marc Levy

Titel: Marc Levy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solange du da bist
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ihrer Patientin. Wenige Augenblicke später entfernte sie den Tubus aus der Luftröhre. Sie strich Lauren eine 27
    Haarsträhne aus der Stirn, sah sie einen Moment lang liebevoll an und löschte im Hinausgehen das Licht. Der Bildschirm des EEG tauchte den Raum in ein grünliches Licht.
    Er zeigte noch immer keine Aktivität. Es war fast halb zehn Uhr abends, und alles war still.
    Nach einer Stunde begann das Signal des EEG zu flackern, zuerst ganz leicht. Plötzlich schnellte der Punkt am Ende der Linie nach oben und stürzte dann steil nach unten, bevor er auf die Horizontale zurückkehrte.
    Niemand war da, um diese Anomalie zu beobachten. Wie der Zufall es wollte, betrat Betty den Raum erst wieder eine Stunde später. Sie kontrollierte Laurens Puls und Blutdruck, entrollte ein paar Zentimeter des Teststreifens, den die Maschine ausspuckte, entdeckte den ungewöhnlichen Ausschlag, runzelte die Stirn und schaute sich noch ein paar Zentimeter mehr an. Nachdem sie festgestellt hatte, dass die folgende Linie völlig gerade verlief, warf sie das Papier weg, ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen. Sie nahm den Hörer des Wandtelefons und rief Fernstein an.
    »Wir haben jetzt ein Koma mit regelmäßigem Atem und stabilen Kreislauffunktionen. Was soll ich tun?«
    »Im fünften Stock ist ein Bett frei, danke, Betty.«
    Fernstein legte auf.
    28

4
Winter 1996

    Arthur öffnete die ferngesteuerte Garagentür und parkte seinen Wagen. Er ging die Treppe hinauf und betrat seine neue Wohnung. Mit einem Fuß schob er die Tür zu, dann setzte er seine Tasche ab, zog den Mantel aus und ließ sich aufs Sofa fallen. Etwa zwanzig über das Zimmer verstreute Umzugskisten erinnerten ihn daran, was er zu tun hatte. Er tauschte seinen Anzug gegen eine Jeans und machte sich daran, die Kartons zu öffnen und die darin enthaltenen Bücher auf den Regalen zu verteilen. Das Parkett knarrte unter seinen Füßen.
    Viel später am Abend, als alles fertig war, faltete er die leeren Kartons zusammen, saugte Staub und räumte die letzten Küchengeräte ein. Dann betrachtete er sein neues Zuhause.
    »Sieht aus, als würde ich langsam ein bisschen schrullig«, sagte er sich. Er ging ins Badezimmer, zögerte zwischen Dusche und Wanne, entschied sich für ein Bad, ließ das Wasser einlaufen, machte das kleine Radio an, das auf der Heizung neben dem hölzernen Wandschrank stand, zog sich aus und stieg mit einem zufriedenen Seufzer in die Wanne. Während Peggy Lee auf 101,3 FM »Fever« sang, tauchte Arthur ein paar Mal unter. Was ihm zuerst auffiel, war der volle Klang der Musik, dann der verblüffend realistische Stereoeffekt aus einem Gerät mit nur einem Lautsprecher. Bei genauerem Hinhören schien es, als käme das Fingerschnipsen, das die Melodie begleitet, aus dem Schrank. Stutzig geworden, stieg er aus dem Wasser und näherte sich auf Zehenspitzen dem Möbel, um besser hören zu können. Das Geräusch wurde immer deutlicher. Er zögerte, holte tief Luft und riss beide Türen auf.
    Erschrocken wich er einen Schritt zurück.
    Versteckt zwischen den Kleiderbügeln saß eine Frau, mit geschlossenen Augen und offensichtlich ganz in die Musik 29
    versunken, sie schnipste mit Daumen und Zeigefinger und summte vor sich hin.
    »Wer sind Sie, was machen Sie hier?« fragte er.
    Die Frau fuhr zusammen und starrte ihn an.
    »Sie können mich sehen?«
    »Natürlich kann ich Sie sehen.«
    Es schien sie total zu überraschen, dass er sie sehen konnte.
    Er wies sie darauf hin, dass er weder blind noch taub sei, und fragte noch einmal, was sie da mache. Als einzige Antwort bekam er zu hören, dass sie das großartig fände. Arthur wusste nicht, was an der Situation großartig sein sollte, und in noch gereizterem Ton als zuvor fragte er zum dritten Mal, was sie zu dieser fortgeschrittenen Stunde in seinem Badezimmer zu suchen habe. »Ich glaube, Sie begreifen nicht«, erwiderte sie,
    »berühren Sie meinen Arm!« Er blieb wie versteinert stehen, sie bat ihn noch einmal:
    »Berühren Sie meinen Arm. Bitte!«
    »Nein, ich werde Ihren Arm nicht berühren, was soll das?«
    Sie nahm Arthurs Handgelenk und fragte ihn, ob er sie spüre, wenn sie ihn anfasse. Verärgert beteuerte er, dass er durchaus gemerkt habe, dass sie ihn berühre, und dass er sie ebenso selbstverständlich sehen und hören könne. Ein viertes Mal fragte er, wer sie sei und was sie in seinem
    Badezimmerschrank verloren habe. Sie überging seine Frage und wiederholte begeistert, es sei

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