Marc Levy
Überlegungen aber einen entscheidenden Schritt weitergekommen!«
Er überging ihren Sarkasmus und schlug vor, nach Hause zu fahren und mit dem Internet anzufangen. Er wollte eine Bestandsaufnahme von allem, was sich irgendwie auf das Thema Koma bezog: wissenschaftliche Studien,
Krankengeschichten, Literaturhinweise, Erzählungen, Berichte von Betroffenen. Vor allem solche von Patienten, die aus einem monatelangen Koma wieder erwacht waren. »Wir müssen sie finden und befragen. Was sie zu sagen haben, kann sehr wichtig sein.«
»Warum tun Sie das?«
»Weil Sie keine andere Wahl haben.«
»Antworten Sie auf meine Frage. Sind Sie sich darüber im Klaren, welche Folgen dieses Vorhaben für Sie persönlich haben wird, wie viel Zeit es beanspruchen wird? Sie haben Ihren Beruf, Ihre Verpflichtungen.«
»Sie sind eine sehr widersprüchliche Frau.«
»Nein, ich träume nur nicht. Merken Sie denn nicht, dass das ganze Lokal Sie vorhin schief angeschaut hat, weil Sie zehn Minuten lang am Tisch laut mit sich selbst geredet haben? Ist 69
Ihnen klar, dass man Ihnen, wenn Sie das nächste Mal hierher kommen, sagen wird, dass kein Tisch mehr frei ist? Die Leute mögen es nämlich nicht, wenn jemand anders ist als sie; es stört sie, wenn da einer laut redet und gestikuliert, obwohl niemand bei ihm ist.«
»Es gibt mehr als tausend Restaurants in dieser Stadt, das lässt uns einen gewissen Spielraum.«
»Arthur, Sie sind lieb, wirklich lieb, aber ganz und gar unrealistisch.«
»Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber in punkto Irrealismus, glaube ich, haben Sie mir gegenüber im Augenblick einen beträchtlichen Vorsprung.«
»Lassen Sie die Wortspiele, Arthur, und machen Sie keine leichtfertigen Versprechungen. Sie werden dieses Rätsel ganz bestimmt nicht lösen können.«
»Ich mache niemals leere Versprechungen, und ich bin nicht lieb!«
»Wecken Sie keine falschen Hoffnungen in mir. Sie werden schlicht keine Zeit dafür haben.«
»Ich hasse es, so etwas im Restaurant zu tun, aber Sie zwingen mich dazu, entschuldigen Sie mich einen Augenblick.«
Arthur tat, als würde er auflegen, sah sie an, nahm das Telefon wieder ans Ohr und wählte die Nummer seines Partners. Er dankte ihm dafür, dass er sich am Morgen die Zeit genommen hatte, sich um ihn zu kümmern. Er beruhigte ihn mit ein paar Sätzen und erklärte ihm, dass er tatsächlich nervlich völlig am Ende sei und es besser wäre für die Firma, wenn er ein paar Tage nicht zur Arbeit käme. Er informierte ihn kurz über die laufenden Projekte und verwies ihn für alle weiteren Fragen an Maureen. Da er zu erschöpft sei, irgendwohin zu fahren, würde er außerdem ohnehin zu Hause bleiben, wo man ihn notfalls telefonisch erreichen könne.
»Das war's, jetzt habe ich erst mal keine beruflichen 70
Verpflichtungen mehr, und ich schlage Ihnen vor, dass wir gleich mit der Recherche beginnen.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Unterstützen Sie mich einfach mit Ihrem medizinischen Wissen.«
Bob brachte die Rechnung und starrte Arthur an. Da riß dieser die Augen weit auf, schnitt eine Grimasse, streckte die Zunge heraus und sprang auf. Der Kellner wich einen Schritt zurück.
»Sie enttäuschen mich, Bob, ich hatte mehr von Ihnen erwartet. Kommen Sie, Lauren, dieses Lokal sieht uns nie wieder.«
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Nach Hause zurückgekehrt, setzte Arthur sich an seinen Schreibtisch. Er schaltete den Computer an und begann, im Internet zu surfen. Über das Netz der Datenautobahnen hatte er unmittelbaren Zugriff auf Unmengen zu seinem Thema gespeicherter Informationen. Indem er nur den Begriff »Koma«
in das entsprechende Feld einer Suchmaschine eingab, erhielt er kurz darauf eine Liste mit den Adressen verschiedener Websites, die Veröffentlichungen, Berichte Betroffener, Krankengeschichten und Diskussionsforen zum Thema anboten. Lauren setzte sich auf eine Ecke des Schreibtischs.
Zuerst riefen sie die Homepage des Memorial Hospital auf und klickten die Rubrik Neurochirurgie an. Einer erst kürzlich erschienenen Veröffentlichung von Professor Silverstone über Schädel-Hirn-Traumata entnahmen sie die verschiedenen Formen der tiefen Bewusstlosigkeit nach der Glasgow-Skala: Drei Ziffern bestimmten die visuelle, verbale und motorische Reaktionsfähigkeit des Patienten auf verschiedene Reize. Sie ordneten Lauren den Stufen l, l und 2 zu, die Addition der drei Werte ergab schließlich ein Koma der Klasse 4. Ein Link führte sie zu einer weiteren Datenbank, die
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