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Marc Levy

Marc Levy

Titel: Marc Levy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solange du da bist
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Tomatensaft. Dieses Mal wartete er, bis der Kellner sich entfernt hatte, bevor er Lauren nach der 66
    Einsamkeit ihrer vergangenen sechs Monate fragte.
    Bob blieb im Raum stehen und beobachtete entgeistert, wie Arthur laut Selbstgespräche führte. Die Unterhaltung kam eben in Gang, da unterbrach Lauren ihn und fragte, ob er ein Handy dabei habe. Er nickte, ohne zu verstehen, worauf sie hinauswollte. »Nehmen Sie es in die Hand und tun Sie so, als würden Sie telefonieren, sonst wird man Sie am Ende wirklich noch einsperren.« Arthur sah sich um und stellte fest, dass man ihn von mehreren Tischen aus anstarrte, einige der Gäste schienen sich von dieser Person, die da laut vor sich hin sprach, sogar beim Essen gestört zu fühlen. Er nahm sein Mobiltelefon und sagte sehr laut »Hallo!«. Die Leute starrten noch ein paar Sekunden zu ihm herüber, doch da sich die Situation sozusagen normalisiert hatte, wandten sie sich schließlich wieder ihren Tellern zu.
    In den ersten Tagen, so erzählte nun Lauren weiter, hatte das Gespensterdasein ihr noch Spaß gemacht. Sie beschrieb ihm das Gefühl absoluter Freiheit, das sie am Anfang ihres Abenteuers gehabt hatte. Man brauchte sich nicht mehr darum zu kümmern, was man anzog, wie man sich frisierte, wie man aussah, ob man zuviel aß, niemand schaute einen mehr an.
    Keine Pflichten mehr, keine Konventionen, nie wieder Schlange stehen, man konnte einfach an allen vorbei nach vorne gehen, ohne dass sich jemand aufregte, man brauchte nicht mehr zu befürchten, sich daneben zu benehmen. Man musste auch nicht mehr so tun, als sei man gar nicht neugierig, sondern konnte Gespräche belauschen, die einen nichts angingen, das Unsichtbare sehen, das Unhörbare hören, an Orten sein, an denen man sich gar nicht aufhalten durfte, ohne dass jemand es bemerkte.
    »Ich hätte mich ins Oval Office setzen und streng vertrauliche Staatsangelegenheiten mit anhören können, ich hätte bei Richard Gere auf dem Schoß sitzen oder mit Tom Cruise duschen können.«
    67
    Alles, oder zumindest fast alles war möglich. Sie konnte Museen besuchen, auch wenn sie geschlossen waren, sie konnte ins Kino gehen, ohne zu bezahlen, sie konnte in Luxushotels schlafen, in einem Jagdbomber mitfliegen, bei hoch spezialisierten chirurgischen Eingriffen dabei sein, heimlich in Versuchslabors eindringen, ganz oben auf dem Tragwerk der Golden-Gate-Bridge entlang balancieren. Das Handy ans Ohr gepresst, wollte Arthur wissen, ob sie wenigstens eine dieser Möglichkeiten ausprobiert hätte.
    »Nein, ich bin nicht schwindelfrei, ich habe schreckliche Angst vorm Fliegen, die Entfernung nach Washington ist zu groß, so weit komme ich gar nicht, gestern Nacht habe ich zum ersten Mal geschlafen, also brauche ich keine Luxushotels, und was das Schlangestehen in den Läden angeht, was nützt es, wenn ich doch nichts anfassen kann?«
    »Und Richard Gere und Tom Cruise?«
    »Für sie gilt dasselbe wie fürs Einkaufen!«
    Sie erklärte ihm in aller Offenheit, dass es ganz und gar nicht lustig sei, ein Gespensterdasein zu fristen. Sie fände es eher belastend. Alles sei denkbar und zugleich unmöglich. Die Menschen, die sie liebte, fehlten ihr. Es gab keine Möglichkeit, mit ihnen in Kontakt zu treten. »Ich bin nicht mehr da. Ich kann sie zwar sehen, aber das tut mir eher weh als gut.
    Vielleicht ist das die Hölle: ewige Einsamkeit.«
    »Glauben Sie an Gott?«
    »Eigentlich nicht, aber in meiner Lage neigt man dazu, das, was man glaubt und was man nicht glaubt, noch einmal zu überdenken. Ich hätte auch nicht für möglich gehalten, dass es Gespenster gibt.«
    »Ich auch nicht«, sagte er.
    »Sie glauben nicht an Gespenster?«
    »Sie sind kein Gespenst.«
    »Finden Sie?«
    »Sie sind nicht tot, Lauren, Ihr Herz schlägt an einem Ort, 68
    und Ihr Geist lebt irgendwo anders. Die beiden sind nur vorübergehend voneinander getrennt, das ist alles. Man muß herausfinden, warum, und wie man sie wieder
    zusammenbringen kann.«
    »Sie werden bemerkt haben, dass das, so gesehen, eine ziemlich folgenschwere Trennung ist.«
    Das Phänomen läge außerhalb des für ihn Vorstellbaren, doch bei dieser Feststellung wollte er es nicht bewenden lassen.
    Das Telefon noch immer in der Hand, bestand er darauf, es verstehen zu wollen, man müsse einen Weg suchen und finden, um ihr ihren Körper wiederzugeben, und dafür müsse sie unbedingt aus dem Koma aufwachen, weil das eine mit dem anderen zusammenhinge.
    »Donnerwetter, da sind Sie in Ihren

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