Marc Levy
Gebäudes mit weißgekachelter Fassade.
»Paul, ich weiß, es klingt idiotisch, aber ich bin wirklich einem Gespenst begegnet!«
»Arthur, ich weiß, es klingt idiotisch, aber ich bringe dich wirklich zum Arzt, damit er dich mal gründlich durchcheckt!«
Arthur wandte sich um und las den Schriftzug neben dem Eingang des Gebäudes.
»Du hast mich in eine Klinik gebracht? Meinst du das ernst?
Du glaubst mir nicht?«
»Doch, ich glaube dir! Und ich werde dir noch mehr glauben, wenn du eine Computertomographie hast machen lassen.«
»Du willst, dass ich ...?«
»Hör mir mal gut zu, du Spaßvogel! Wenn ich eines Tages ins Büro komme und aussehe wie einer, der auf der Rolltreppe 61
stecken geblieben ist, wenn ich wütend wieder abrausche, obwohl ich normalerweise nie die Ruhe verliere, wenn du vom Fenster aus siehst, wie ich über den Gehweg spaziere und mein Arm dabei absurd abgewinkelt in der Luft hängt, wenn du weiter siehst, wie ich einer nicht vorhandenen Person die Wagentür aufhalte, wie ich, noch immer nicht zufrieden mit der Wirkung dieser Darbietung, im Auto sitze und gestikuliere, als würde ich mich mit jemandem unterhalten, aber da ist niemand, wirklich niemand, und wenn ich dir als einzige Begründung dafür sage, dass ich ein Gespenst kennen gelernt habe, dann, hoffe ich, wirst du ebenso besorgt um mich sein, wie ich es in diesem Moment um dich bin.«
Arthur musste lächeln.
»Und da habe ich tatsächlich, als ich sie in meinem Schrank entdeckte, gedacht, das wäre auf deinem Mist gewachsen.«
»Komm mit, wir gehen mich jetzt beruhigen!«
Arthur ließ sich in die Eingangshalle der Klinik ziehen. Die Schwester am Empfangsschalter beobachtete die beiden verwundert. Paul setzte Arthur auf einen Stuhl und befahl ihm, sich nicht von der Stelle zu rühren. Er behandelte ihn wie ein ungezogenes Kind, bei dem man ständig befürchten muß, dass es einem davonläuft. Dann ging er zur Aufnahme.
»Es ist ein Notfall!«
»Was für einer?« fragte die junge Frau, wenig beeindruckt von Pauls ungeduldigem und aufgeregtem Ton.
»Der, der da drüben im Sessel sitzt!«
»Nein, was für ein Notfall, möchte ich wissen.«
»Schädeltrauma!«
»Wie ist es passiert?«
»Amor sieht bekanntlich schlecht, und mein Freund hier bekommt immerzu eins mit dem Blindenstock übergezogen, so was bleibt nicht ohne Folgen.«
Sie fand diese Antwort sehr komisch, war sich jedoch nicht ganz sicher, ob sie ihren Sinn verstanden hatte. Ohne Termin 62
und ohne Überweisung könne sie jedenfalls nichts für ihn tun, es täte ihr sehr leid!
»Gleich wird es Ihnen noch mehr leid tun!« Und zwar, wenn er ausgeredet hätte, versprach er und fragte streng, ob dies die Klinik von Dr. Bresnik sei. Die Empfangsdame nickte. In nicht weniger autoritärem Ton erklärte er ihr daraufhin, dass die sechzig Angestellten seines Architekturbüros in genau dieser Klinik hier ihre jährliche Grunduntersuchung machen ließen, dass sie hier ihre Kinder zur Welt brächten, sie impfen und ihre Schnupfen, Grippen, Anginen und andere netten Sachen behandeln ließen.
Ohne Luft zu holen, erklärte er ihr weiter, dass alle diese freundlichen Patienten und Kunden ihrer medizinischen Einrichtung dem Verrückten unterstellt seien, der hier leibhaftig vor ihr stehe, ebenso wie dem hilflos aussehenden Herrn im Sessel gegenüber.
»Hören Sie also, Miss, entweder kümmert sich der Herr Doktor Bresdingsbums augenblicklich um meinen Partner, oder ich verspreche Ihnen, dass kein einziger unserer Mitarbeiter je wieder einen Fuß über die Schwelle Ihrer prachtvollen Klinik setzten wird, und sei es nur, um sich ein Schönheitspflästerchen aufkleben zu lassen!«
Eine Stunde später unterzog sich Arthur in Pauls Begleitung einem vollständigen Gesundheits-Check-up. Nach dem Belastungs-EKG nahm man ihm Blut ab, dann ließ er eine Reihe neurologischer Tests über sich ergehen. Er musste sein Bein einmal mit geschlossenen, einmal mit offenen Augen anheben, man klopfte ihm mit kleinen Hämmerchen auf die Ellbogen, die Knie und aufs Kinn, man fuhr ihm sogar mit einer Nadel über die Fußsohlen. Auf Pauls Drängen hin wurde schließlich noch eine Computertomographie gemacht. Eine große gläserne Trennwand teilte den dafür bestimmten Untersuchungsraum in zwei Hälften. Auf der einen Seite 63
thronte das imposante zylindrische Gerät mit dem Hohlraum in der Mitte, in den der Patient hineingeschoben wird wie in einen Sarkophag. Die andere Seite des Raums war
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