Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marc Levy

Marc Levy

Titel: Marc Levy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solange du da bist
Vom Netzwerk:
dafür. An mir, an meiner Dummheit liegt es, dass Du nicht bei Antoine aufgewachsen bist. Als ich erfuhr, dass ich krank bin, war es zu spät für eine Umkehr. In dem Sammelsurium, das ich Dir hier hinterlasse, wirst du so manches finden, Fotos von Dir, von mir, von Antoine, seine Briefe, aber lies sie nicht, sie gehören mir, ich konnte mich nur niemals entschließen, mich von ihnen zu trennen. Du wirst Dich fragen, warum es keine Fotos von Deinem Vater gibt. In einer Nacht voller "Zorn und Enttäuschung habe ich alles zerrissen, ich war wütend auf mich selbst...
    Ich habe mein Bestes getan, mein Junge, das Beste, was diese Frau mit ihren Stärken und ihren Schwächen tun konnte, aber Du musst wissen, Du warst mein ganzes Leben, das Schönste und das Intensivste, was mir je widerfahren ist. Ich bete, dass Du eines Tages die einzigartige Erfahrung machen wirst, ein Kind zu haben, dann wirst Du einiges verstehen.
    Mein größter Stolz wird sein, Deine Mama gewesen zu sein, für immer.
    158
    Ich liebe Dich. Lili
    159
    Er faltete den Brief zusammen und legte ihn zurück in den Koffer. Lauren sah, dass er weinte; sie beugte sich zu ihm hinüber und sammelte mit dem Rücken ihres Zeigefingers die Tränen von seiner Wange. Überrascht sah er auf, und die Zärtlichkeit in ihrem Blick vertrieb all seinen Kummer. Dann glitt ihr Finger in einem sanften Schwung unter sein Kinn. Er legte seine Hand an ihre Wange, um ihren Nacken, näherte sein Gesicht dem ihren. Als ihre Lippen sich berührten, wich sie zurück.
    »Warum tust du das für mich, Arthur?«
    »Weil ich dich liebe, und das geht dich nichts an.«
    Er nahm sie an der Hand und führte sie aus dem Haus.
    »Wohin gehen wir?« fragte sie.
    »Hinunter zum Meer.«
    »Nein, hier«, flüsterte sie, »jetzt.«
    Sie stellte sich vor ihn hin und knöpfte sein Hemd auf.
    »Aber, wie kommt es, dass du ... du konntest doch bisher nicht ...«
    »Frag nicht, ich weiß es nicht.«
    Sie ließ das Hemd von seinen Schultern gleiten und strich mit ihren Händen über seinen Rücken. Er fühlte sich unbeholfen, wie zog man ein Gespenst aus? Sie lächelte, schloss die Augen und war im nächsten Augenblick nackt.
    »Es genügt, dass ich an ein Kleidungsstück denke, und schon habe ich es an. Wenn du wüsstest, wie gründlich ich das ausgenutzt habe ...«
    Unter dem Vordach des Hauses schlang sie ihre Arme um ihn und küsste ihn.
    Und gleich jenem magischen Augenblick einer
    Sonnenfinsternis wurde Laurens Seele von Arthurs Körper durchdrungen und erfüllte ihn ihrerseits ... Der Koffer war geöffnet.
    160

12
    Inspektor Pilguez erschien um elf Uhr im Krankenhaus. Die Stationsschwester hatte, unmittelbar nachdem sie um sechs Uhr morgens ihren Dienst angetreten hatte, auf dem Kommissariat angerufen. Eine Patientin im Koma war aus dem Krankenhaus verschwunden, es handelte sich offensichtlich um eine Entführung.
    Pilguez hatte die Nachricht am Morgen auf seinem Schreibtisch gefunden, er hatte mit den Schultern gezuckt und sich gefragt, wieso Fälle dieser Art immer an ihm hängen blieben. Er war zu Nathalia gegangen, die alle Anrufe weiterleitete, und hatte seinem Unmut Luft gemacht.
    »Habe ich dir irgend etwas getan, meine Süße, dass du ausgerechnet mir am Montagmorgen so eine Geschichte aufhalst?«
    »Du hättest dich zum Wochenbeginn etwas besser rasieren können«, antwortete sie mit einem breiten, schuldbewussten Lächeln.
    »Interessante Antwort. Ich hoffe, du magst deinen Drehstuhl, denn es sieht mir ganz so aus, als ob du da noch eine ganze Weile drauf sitzen bleiben müsstest!«
    »George, du bist ein Denkmal der Liebenswürdigkeit!«
    »Ganz genau, und es ist mein gutes Recht, mir die Tauben auszusuchen, die auf mich drauf scheißen.«
    Und er hatte auf dem Absatz kehrtgemacht. Die miese Woche, die somit begann, schloss jedenfalls nahtlos an die miese Woche an, die vor zwei Tagen zu Ende gegangen war.
    Eine gute Woche bestand für Pilguez aus Tagen, an denen die Polizei nur gerufen wurde, um Nachbarschaftsstreitigkeiten zu schlichten oder kleine Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Dass es so etwas wie die Kripo überhaupt gab, fand er widersinnig, denn es bedeutete, dass es in dieser Stadt jede Menge verkorkster Typen gab, die töteten, vergewaltigten, stahlen und 161
    jetzt auch noch Leute im Koma aus dem Krankenhaus entführten. Nach dreißig Jahren in diesem Job, so dachte er manchmal, müsste er eigentlich alles gesehen haben; doch jede neue Woche wusste der Mannigfaltigkeit

Weitere Kostenlose Bücher