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Marc Levy

Marc Levy

Titel: Marc Levy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solange du da bist
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gefühlt. Als er gerade die Scharniere des großen Tores ölte, hatte er einen dumpfen Schmerz in der Brust gespürt. In plötzlicher Atemnot war er zwischen den Bäumen
    umhergegangen und hatte nach Luft gerungen. Die alten Pinien, unter denen er im Frühjahr und im Sommer immer sein Nickerchen zu halten pflegte, nahmen ihn unter ihren Zweigen auf, als er hilflos zu Boden stürzte. Vom Schmerz betäubt, war er bis zum Haus gekrochen und hatte die Nachbarn zu Hilfe gerufen. Die hatten ihn in die Unfallstation von Monterey gebracht, wo er wenige Tage darauf starb. Man hätte meinen können, er habe sich auf seinen Abschied vorbereitet. Nach seinem Tod hatte der Notar mit Arthur Kontakt aufgenommen, um ihn zu fragen, was er mit dem Haus machen solle.
    »Er meinte, er sei verblüfft gewesen, als er dort hinkam.
    Antoine hatte alles aufgeräumt, als hätte er am Tag seines Zusammenbruchs verreisen wollen.«
    »Vielleicht hatte er genau das vor?«
    »Antoine und verreisen? Schon um ihn zu bewegen, nach Carmel zum Einkaufen zu fahren, musste man ihn mehrere Tage im voraus bearbeiten. Nein, ich glaube, er hatte diesen Instinkt, wie ein alter Elefant fühlte er seine Stunde nahen.
    Oder vielleicht hatte er auch genug und wollte sterben.«
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    Zur Erklärung wiederholte er ihr, was Lili ihm einmal auf seine Frage nach dem Tod geantwortet hatte. Er hatte damals wissen wollen, ob die Erwachsenen Angst davor hätten, und fast Wort für Wort erinnerte er sich, was sie darauf erwidert hatte: »Wenn du einen schönen Tag verbracht hast, weil du früh aufgestanden bist, um mit mir zum Angeln zu gehen, weil du herumgelaufen bist und mit Antoine im Rosengarten gearbeitet hast, dann bist du abends müde, und sogar du, der du so ungern schlafen gehst, freust dich schließlich auf dein Bett. An solchen Abenden hast du keine Angst einzuschlafen.
    Das Leben ist ein bisschen wie einer von diesen Tagen.
    Wenn es früh begonnen hat, dann nimmt man die Tatsache, dass es einmal zu Ende gehen wird, gelassen hin. Vielleicht auch, weil unsere Körper mit der Zeit nicht mehr so mitspielen.
    Alles wird schwieriger und anstrengend, und so schreckt einen der Gedanke, für immer einzuschlafen, nicht mehr so sehr.«
    »Mama war damals schon erkrankt, ich glaube, sie wusste, wovon sie sprach.«
    »Und was hast du ihr geantwortet?«
    »Ich habe mich an ihren Arm gehängt und gefragt, ob sie müde sei. Sie hat gelächelt. Kurz und gut, ich wollte nur sagen, dass ich nicht glaube, dass Antoine im depressiven Sinn des Wortes seines Lebens müde war. Ich glaube, dass er eine Form der Weisheit erlangt hatte.«
    »Wie ein Elefant«, wiederholte Lauren leise.
    Sie gingen zurück in Richtung Haus, und Arthur bog vom Weg ab, denn nun fühlte er sich auch bereit, den Rosengarten zu betreten.
    »Jetzt werden wir das Herzstück des Königreichs besichtigen, den Rosengarten!«
    »Wieso das Herzstück?«
    Er war das Allerheiligste! Lili war verrückt nach ihren Rosen. Sie waren das einzige, worüber sie mit Antoine in Streit geraten konnte. »Mama kannte jede Blüte, es war undenkbar, 152
    auch nur eine von ihnen abzuschneiden, ohne dass sie es gemerkt hätte.« Es gab eine unvorstellbare Vielfalt an Züchtungen. Sie bestellte die Stöcke nach einem Katalog und setzte ihren ganzen Stolz daran, Arten aus allen Teilen der Welt zu kultivieren, vor allem, wenn die laut Pflanzanleitung notwendigen klimatischen Bedingungen sich von den hiesigen deutlich unterschieden. Es war eine echte Herausforderung für sie, die Gärtnereien Lügen zu strafen und die Stöcke zum Blühen zu bringen.
    »Hatte sie wirklich so viele?«
    Er hatte bis zu hundertfünfunddreißig Sorten gezählt.
    Einmal, bei einem sintflutartigen Regenguss, waren seine Mutter und Antoine mitten in der Nacht aufgestanden, zur Garage gelaufen und hatten eine Plane geholt, die sicher zehn Meter breit und dreißig Meter lang gewesen war. In aller Eile hatte Antoine drei Ecken der Plane an großen Pfählen befestigt, die vierte hatten sie beide mit ausgestreckten Armen gehalten, Antoine auf einer Leiter hockend, seine Mutter auf dem Schiedsrichterstuhl des Tennisplatzes. Sie hatten die halbe Nacht damit zugebracht, diesen riesigen Regenschirm auszuschütteln, sobald er sich mit zuviel Wasser füllte. »Das Haus hätte in Flammen stehen können, ich bin sicher, sie hätten sich nicht so aufgeregt. Du hättest sie am nächsten Morgen sehen sollen, sie sahen aus wie zwei Schiffbrüchige.« Aber der Rosengarten war

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