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Marc Levy

Marc Levy

Titel: Marc Levy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solange du da bist
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menschlichen Irrsinns noch etwas hinzuzufügen.
    »Nathalia!« rief er von seinem Schreibtisch aus.
    »Ja, George?« antwortete sie von der Telefonzentrale her.
    »Hattest du zufällig ein unerfreuliches Wochenende?«
    »Willst du nicht runtergehen und mir ein paar Doughnuts holen?«
    Die Augen auf die Einsatzkladde des Kommissariats geheftet, den Stift im Mundwinkel, schüttelte sie verneinend den Kopf. »Nathalia!« schrie er noch einmal. Sie trug die Kürzel der nächtlichen Polizeieinsätze in die dafür vorgesehenen Felder ein. Weil die Kästchen zu klein waren, und der Chef des siebten Bezirks, ihr Herr Vorgesetzter, wie sie ihn ironisch nannte, äußerst penibel war, gab sie sich Mühe, in winzigen Buchstaben und nicht über den Rand hinaus zu schreiben. Ohne auch nur den Kopf zu heben, antwortete sie ihm: »Ja, George? Sag mir, dass du heute Abend in den Ruhestand gehst!« Er sprang auf und stellte sich vor sie hin.
    »Das ist gemein!«
    »Willst du dir nicht mal irgend etwas kaufen, woran du deine Launen auslassen kannst?«
    »Nein, ich lasse meine Launen an dir aus, das rechtfertigt schon mal fünfzig Prozent deines Gehalts.«
    »Weißt du was, mein Entchen? Ich werde dir deine Doughnuts mitten ins Gesicht klatschen.«
    »Wir sind doch Bullen, keine Enten!«
    »Du nicht, du bist ein grässlicher Ganter, der nicht mal fliegen kann, ein watschelnder Enterich. Los, geh an deine Arbeit und lass mich in Ruhe.«
    »Du siehst richtig gut aus, Nathalia.«
    »Aber ja doch, und du bist genauso schön, wie du gut 162
    gelaunt bist.«
    »Komm, zieh dein Omajäckchen an, und wir gehen einen Kaffee trinken.«
    »Und wer leitet die Anrufe weiter?«
    »Warte, beweg dich nicht, ich zeig's dir.«
    Er drehte sich um und ging eilig zu dem jungen
    Polizeischüler, der am anderen Ende des Großraumbüros Akten ablegte. Er nahm ihn am Arm und zog ihn quer durch den Saal bis zum Schreibtisch am Eingang.
    »So, Junge, du klemmst dich jetzt auf diesen Rollstuhl mit Armlehnen hier, weil Madame nämlich befördert worden ist, ihr stehen jetzt zwei gepolsterte Armlehnen aus Stoff zu. Du darfst dich auch drehen, aber nicht mehr als zwei volle Runden in dieselbe Richtung. Wenn das Telefon ein Geräusch von sich gibt, nimmst du ab und sagst >San Francisco Police Department, Kriminalabteilung, was kann ich für Sie tun?<, du hörst dir an, was sie wollen, notierst es auf diesem Zettel hier und rührst dich nicht vom Fleck, bis wir wieder da sind. Und wenn dich jemand fragt, wo Nathalia ist, dann sagst du, dass sie plötzlich ihre Tage bekommen hat und zur Apotheke gerannt ist. Meinst du, du kriegst das hin?«
    »Um nicht mit Ihnen Kaffee trinken gehen zu müssen, würde ich sogar die Klos putzen, Inspektor!«
    George überging diese Bemerkung, nahm Nathalia am Arm und zog sie ins Treppenhaus.
    »Das Strickjäckchen hat deiner Oma sicher gut gestanden!«
    sagte er lächelnd.
    »Was werde ich mich langweilen bei der Arbeit, wenn sie dich pensionieren, George!«
    An der Straßenecke flackerte ein rotes Neonschild aus den Fünfzigern. Die Leuchtbuchstaben der »Finzy Bar« warfen einen blassen Lichtkreis auf die Scheibe des alten Bistros.
    Finzy hatte seine besten Jahre hinter sich. Von dem aus der Mode gekommenen Lokal blieb das Interieur vergilbter Wände 163
    und Decken, speckig gewordener hölzerner Fenstersimse und eines Parketts, das von Millionen torkelnder Schritte und den Zufallsbegegnungen einer Nacht abgewetzt war. Von der gegenüberliegenden Seite sah es aus wie ein Bild von Edward Hopper. Sie überquerten die Straße, setzten sich an den alten Holztresen und bestellten zwei Kaffee.
    »Hattest du wirklich einen so scheußlichen Sonntag, mein Bärchen?«
    »Ich öde mich an am Wochenende, meine Liebe, du kannst dir nicht vorstellen, wie! Ich komme um vor Langeweile.«
    »Weil ich am Sonntag nicht mit dir frühstücken konnte?«
    Er nickte.
    »Geh doch mal ins Museum, geh ein bisschen raus!«
    »Wenn ich ins Museum gehe, dann mache ich innerhalb von zwei Sekunden die Taschendiebe aus, und schon bin ich wieder im Büro.«
    »Geh ins Kino.«
    »Im Dunkeln schlafe ich ein.«
    »Dann geh spazieren!«
    »O. k., das ist eine Idee, ich gehe spazieren, auf die Weise sehe ich zumindest nicht aus wie ein Idiot, der allein durch die Gegend latscht. Was machst du da? Nichts, ich gehe spazieren!
    Wo wir gerade vom Wochenende reden, Nathalia: Wie geht es mit deinem neuen Typen?«
    »Nichts Großartiges, aber es lenkt ab.«
    »Weißt du, was der

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