Marc Levy
Fehler all deiner Männer ist« fragte George.
»Du meinst, sie haben nur einen?«
»Sie dürften sich eigentlich nicht langweilen mit einem Mädchen wie dir, diese Kerle. Wenn ich fünfzehn Jahre jünger wäre, würde ich mich auf deine Tanzkarte schreiben!«
»Aber du bist fünf zehn Jahre jünger, als du denkst George.«
»Darf ich das als Aufforderung verstehen?«
»Als Kompliment, das ist doch schon mal nicht schlecht.
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Also, ich geh' wieder arbeiten, und du fährst ins Krankenhaus, die klangen ziemlich aufgeregt.«
George traf die Oberschwester Jarkowizski. Sie musterte den schlecht rasierten, etwas rundlichen, aber nicht uneleganten Mann.
»Es ist schrecklich«, sagte sie, »so etwas ist noch nie vorgekommen.«
Im gleichen Ton fügte sie hinzu, dass der
Aufsichtsratsvorsitzende völlig aus dem Häuschen sei und ihn am Nachmittag sehen wolle. Am Abend würde er den übrigen Aufsichtsräten über den Fall berichten müssen. »Werden Sie sie wieder finden, Inspektor?«
»Wenn Sie mir alles schön der Reihe nach und von Anfang an erzählen, vielleicht.«
Schwester Jarkowizski berichtete, dass es
höchstwahrscheinlich beim Schichtwechsel passiert sei. Man hatte die Schwester vom Spätdienst noch nicht erreichen können, aber die Nachtschwester hatte versichert, dass das Bett schon leer gewesen sei, als sie gegen zwei Uhr ihren Rundgang machte. Sie hatte gedacht, die Patientin sei gestorben und der Platz noch nicht desinfiziert und wieder hergerichtet, gemäß der Gepflogenheit, das Krankenbett eines Verstorbenen erst nach vierundzwanzig Stunden neu zu belegen. Jarkowizski hatte das Drama gleich bei ihrer ersten Runde erkannt und Alarm geschlagen.
»Vielleicht ist sie aus dem Koma erwacht, hatte die Nase voll von diesem gastlichen Haus und ist ein bisschen spazieren gegangen. Das wäre doch nur recht und billig, nachdem sie so lange gelegen hat.«
»Ich liebe Ihren Humor. Sie sollten versuchen, ihre Mutter daran teilhaben zu lassen. Sie spricht gerade mit einem unserer Oberärzte und dürfte jeden Moment hier sein.«
»Ja, gewiss«, sagte Pilguez und starrte auf seine Schuhe.
»Wenn es eine Entführung ist, was kann dann das Motiv sein?«
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»Was macht das für einen Unterschied?« gab sie gereizt zurück, als würden sie gerade kostbare Zeit verschwenden.
»Wissen Sie«, sagte er mit starrem Blick, »so seltsam es scheinen mag, aber neunundneunzig Prozent aller Verbrechen haben ein Motiv. Es ist nämlich so, dass man normalerweise nicht einfach aus Spaß an einem Sonntagabend einen Komapatienten aus dem Krankenhaus entführt. Apropos, sind Sie sicher, dass sie nicht in eine andere Klinik gebracht wurde?«
»Ich bin ganz sicher. Die Verlegungspapiere liegen an der Anmeldung, sie wurde mit einem Krankenwagen abgeholt.«
»Von welchem Krankentransportdienst?« fragte er und holte seinen Bleistift hervor.
»Von gar keinem.«
Als sie heute morgen angekommen war, hatte sie zunächst nicht im mindesten an eine Entführung gedacht. Als man ihr sagte, dass in der 505 ein Bett frei geworden sei, hatte sie sich sofort zur Anmeldung begeben. »Ich fand es unerhört, dass man jemanden verlegt hatte, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen, aber Sie wissen ja, wie das heutzutage ist mit dem Respekt gegenüber den Vorgesetzten, na gut, darum geht es jetzt nicht.« Die Schwester am Empfang hatte ihr die Papiere gegeben, und sie hatte sofort gesehen, dass da etwas nicht stimmte. Ein Formular habe gefehlt, und das blaue sei nicht richtig ausgefüllt gewesen. »Ich frage mich, wie diese dumme Gans sich so an der Nase herumführen lassen konnte ...«
Pilguez wollte den Namen dieser »dummen Gans« wissen.
Sie hieß Emmanuelle und hatte am Abend zuvor an der Aufnahme ihren Dienst versehen. »Sie war es, die das verbockt hat.«
George hatte genug von dem Gerede der Oberschwester, und da sie im entscheidenden Moment selbst gar nicht da gewesen war, notierte er sich die Namen und Adressen aller Personen, die am Vorabend im Krankenhaus gearbeitet hatten, und 166
verabschiedete sich.
Vom Auto aus rief er Nathalia an und bat sie, all diese Leute aufs Kommissariat zu bestellen, bevor sie zur Arbeit gingen.
Am Ende des Tages hatte er mit jedem von ihnen gesprochen und wusste, dass in der Nacht von Sonntag auf Montag ein falscher Arzt im gestohlenen Kittel eines echten Arztes, der übrigens sehr unsympathisch war, zusammen mit einem Sanitäter und ausgerüstet mit falschen Verlegungspapieren im Krankenhaus
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