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Marc Levy

Marc Levy

Titel: Marc Levy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solange du da bist
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gerettet.
    »Sieh doch!« rief Lauren aus, als sie den Garten betrachtete.
    »Es gibt noch eine ganze Menge!«
    »Ja, das sind wilde Rosen, die fürchten weder Sonne noch Regen, und man tut gut daran, Handschuhe zu tragen, wenn man sie schneidet, denn sie haben viele Dornen.«
    Sie verbrachten einen guten Teil des Tages damit, den großen Park, der das Haus umgab, zu entdecken und wieder zu entdecken. Arthur zeigte ihr die schönsten Bäume, und auch die Kratzer, die er mancher Rinde beigebracht hatte. Er führte 153
    sie hinter eine große Pinie, an die Stelle, wo er sich das Schlüsselbein gebrochen hatte.
    »Wie ist das passiert?«
    »Ich war reif und bin vom Baum gefallen!«
    Der Tag verstrich, ohne dass sie es bemerkten. Als es soweit war, gingen sie erneut ans Meer, setzten sich auf die Felsen und bewunderten das Schauspiel, um dessentwillen Menschen aus der ganzen Welt hierher kamen. Lauren breitete die Arme aus und rief: »Michelangelo ist in Form heute Abend!« Arthur sah sie an und lächelte. Die Nacht brach schnell herein. Sie zogen sich ins Haus zurück, und Arthur versorgte Laurens Körper. Dann entfachte er ein Feuer im Kamin des kleinen Wohnzimmers, wo sie es sich beide bequem machten.
    »Und dieser schwarze Koffer, was hat es damit für eine Bewandtnis?«
    »Dir entgeht wirklich nichts!«
    »Ich höre nur zu, das ist alles.«
    »Es ist ein Koffer, der Mama gehörte, sie bewahrte darin all ihre Briefe auf, all ihre Erinnerungen. Ich glaube, der Koffer enthält die Quintessenz ihres Lebens.
    »Was heißt, du glaubst?«
    »Der Koffer ist immer ein großes Geheimnis gewesen. Das ganze Haus hat mir gehört - bis auf den Schrank, in dem der Koffer untergebracht war. Zutritt Verboten. Und ich versichere dir, ich hätte es nicht gewagt.«
    »Wo steht er?«
    »Im Arbeitszimmer nebenan.«
    »Und du bist nie wieder hergekommen, um ihn zu öffnen?
    Ich kann es einfach nicht glauben!«
    Der Koffer schien das ganze Leben seiner Mutter zu enthalten, darum hatte er diesen Moment niemals überstürzen wollen. Er hatte sich gesagt, dass er erwachsen sein müsse und wirklich bereit, diesen Schritt zu wagen, um zu verstehen. Als Lauren skeptisch die Stirn runzelte, gab er zu: »Nun gut, die 154
    Wahrheit ist, ich habe mich nicht getraut.«
    »Warum?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht hatte ich Angst, dass sein Inhalt das Bild zerstören könnte, das ich mir von ihr bewahrt habe, oder dass der Kummer mich überwältigen würde.«
    »Geh ihn holen!«
    Arthur rührte sich nicht. Sie bestand darauf, dass er ihn holte. Wenn Lili ihr ganzes Leben in einen Koffer gepackt hatte, dann, weil sie wollte, dass ihr Sohn eines Tages erfuhr, wer sie gewesen war. Sie hatte ihn nicht geliebt, damit er ein Idealbild von ihr bewahrte. »Das Wagnis in der Liebe ist, die Schwächen des anderen ebenso zu lieben wie seine Stärken, beide gehören untrennbar zusammen. Wovor hast du Angst: ein Urteil über deine Mutter zu fällen? Du hast nicht die Seele eines Richters. Du musst dir ansehen, was der Koffer enthält, sonst verletzt du die Spielregeln ... Sie hat ihn dir hinterlassen, damit du alles über sie erfährst. Um das weiterzuführen, was die Zeit ihr nicht gestattet hat zu tun, damit du sie wirklich kennen lernst, nicht nur als Kind, sondern mit den Augen und dem Herzen eines Mannes!«
    Arthur dachte eine Weile über Laurens Worte nach. Er sah sie an, erhob sich schließlich, ging ins Arbeitszimmer und öffnete den geheimnisvollen Wandschrank. Er betrachtete den kleinen schwarzen Koffer, der vor ihm im Regal lag, fasste seinen abgewetzten Griff und trug die ganze Vergangenheit mit sich in die Gegenwart. Ins Wohnzimmer zurückgekehrt, setzte er sich im Schneidersitz neben Lauren, und sie sahen sich an wie zwei Kinder, die Barbarossas Schatz gefunden haben.
    Nachdem er tief Luft geholt hatte, ließ er die beiden Verschlüsse aufschnappen, und der Deckel öffnete sich. Der Koffer quoll über von Umschlägen jeder Größe, sie enthielten Briefe, Fotos, einige kleine Gegenstände, ein Miniaturflugzeug aus Salzteig, das Arthur einmal zum Muttertag gebastelt hatte, einen Aschenbecher aus Knetmasse, den hatte er ihr zu 155
    Weihnachten geschenkt, eine Muschelkette, ohne näher bezeichnete Herkunft, einen silbernen Kinderlöffel und ein Paar winziger Babyschuhe. Ein ganzer Basar. Obenauf lag ein gefalteter und von einer Büroklammer zusammengehaltener Brief. Lili hatte groß ARTHUR darauf geschrieben. Er nahm ihn und faltete ihn

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