Marcel Proust fuer Boshafte
schlagen.
SZ 2, 128
Ihr Dünkel bewahrte sie vor jeder menschlichen Sympathie, vor jedem Interesse an den Unbekannten, die rings um sie saßen und in deren Mitte Monsieur de Stermaria die eisige, eilige, distanzierte, unzugängliche, abweisende und übelgelaunte Miene bewahrte, die man an einem Bahnhofsbüfett inmitten von Reisenden aufsetzt, die man niemals gesehen hat, nie wiedersehen wird und mit denen einen nur die Tatsache in Beziehung setzt, daß man sein kaltes Huhn und seinen Platz im Abteil gegen sie zu verteidigen gedenkt.
SZ 2, 363
Um sich von einer jüdischen Familie zur anderen an die freie Luft emporzuarbeiten, hätte es für Bloch einer Spanne von mehreren Jahrtausenden bedurft. Besser war es, sich auf einem anderen Weg einen Durchbruch zu verschaffen.
SZ 2, 457
Sie war bestimmt tief betrübt, daß sie mir eine Freude hatte versagen müssen, und machte mir einen kleinen goldenen Bleistift zum Geschenk aus jener tugendhaften Perversität heraus, mit der bestimmte Leute, von der Liebenswürdigkeit eines anderen gerührt, jedoch entschlossen, ihm nicht zu ge
währen, was er sich eigentlich wünscht, ihm auf andere Art eine Gunst erweisen.
SZ 2, 740f.
Er sah aus, als inspiziere er das Nichts, als wolle er mit seiner gepflegten äußeren Erscheinung die Misere, die man überall im Hotel verspürte, denn die Saison war nicht gut gewesen, als einen vorübergehenden Zustand hinstellen und als suche er wie der Geist eines Souveräns die Ruinen dessen auf, was einst sein Palast gewesen war.
SZ 2, 755
Der Snobismus gewisser Personen gleicht jenen angenehmen Getränken, denen sie nützliche Substanzen beimischen.
SZ 6, 257
Seine Schnelligkeit hatte übrigens psychologische Gründe. Er hatte die Gewohnheit, gewisse fragwürdige Häuser aufzusuchen, wollte aber dort beim Kommen und Gehen nicht bemerkt werden, sondern stürzte sich geradezu hinein.
SZ 6, 371
Die bigotteste Bäuerin hätte gespürt, daß von der Seele einer solchen Jüdin ein lieblicherer Duft zu unserem Herrgott aufstieg als von sämtlichen Christen-, Pfarrer- und Heiligenseelen.
JS 2, 614
Unsere Freundin schreibt uns, um uns zu sagen, daß sie uns nicht liebt, aber sie schreibt »Mein lieber Freund«, sie spricht zu uns von ihren »liebevollen Gefühlen«, und wir lassen uns von diesen Worten so bereitwillig wie von gefälligen Kupplerinnen genau alles das sagen, was wir gern hören mögen.
JS 2, 658
Im übrigen wird das gesellschaftliche Leben von drei Dingen beherrscht, die tatsächlich fast den gesamten Formalismus ausmachen: dem Snobismus, das heißt der Bewunderung dessen, was bei den anderen von ihrer Persönlichkeit unabhängig ist, dem Klatsch, das heißt der den größten Teil der Zeit (unter dem Vorwand der Kritik) dem äußeren Schein gewidmeten, angespannten Aufmerksamkeit, und drittens der Konvenienz oder Etikette, das heißt der Erhebung des Formalismus zu einem wirklichen Wert, der wirklicher sogar als alles übrige ist.
JS 2, 685f.
Unaufhörlich ringsum auf der Suche nach Elend, das er mildern könnte, bevölkerte er seine Phantasie beständig mit den Unglücklichen, deren Jammerdasein er mit der Hälfte seiner Einkünfte unterhielt.
JS 1, 74
Die Personen der Welt sind so mittelmäßig, daß Violante sich nur herablassen mußte, sich unter sie zu mischen, um sie fast alle in den Schatten zu stellen.
FT 46
So, in solcher friedlichen Monotonie verlief häufig der Abend im alten Palais Réveillon. Menschliche Gefühle, die Bande der Familie und des geselligen Verkehrs – die Gesprächsthemen erlangten durch den höheren Rang der Partner keine besondere Originalität.
JS 1, 344
Gesundheitsprobleme
Denn da die Medizin ein Kompendium aufeinanderfolgender und einander widersprechender Irrtümer der Ärzte ist, hat man, wenn man die vorzüglichsten unter ihnen an sein Krankenbett ruft, beste Aussicht, eine Wahrheit um Hilfe anzugehen, die wenige Jahre darauf als falsch erkannt sein wird. An die Medizin zu glauben wäre also der größte Wahnwitz, wofern es nicht ein noch größerer wäre, nicht an sie zu glauben, denn aus dieser Häufung von Irrtümern sind auf lange Sicht ein paar Wahrheiten hervorgegangen.
SZ 3, 418
Die Irrtümer der Ärzte sind ohne Zahl. Gewöhnlich sind sie zu optimistisch mit Bezug auf die Diät des Kranken, zu pessimistisch aber, was den Ausgang des Leidens betrifft.
SZ 4, 65
Kurz, meine Tante verlangte gleichzeitig, daß man ihre Lebensweise guthieß, daß man sie um
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