Marco Polo der Besessene 1
Wasser.« »Paß auf. Ich werde es verbessern.« Langsam ließ er dann das
Wasser durch die Holzkohle sickern, so daß es sich in der zweiten Schale sammelte. Nachdem er damit fertig war, kostete ich es nochmals. »Ja. Klar und gut. Und sogar kühler schmeckt es.«
»Vergiß dies nicht«, sagte er. »Es wird häufig vorkommen, daß deine einzige Wasserquelle faulig oder scheußlich salzig schmeckt und du sogar den Verdacht hast, es könnte giftig sein. Wenn du es auf diese Weise durchseihst, wird es zumindest trinkbar und harmlos, falls nicht sogar köstlich. Allerdings, in den Wüsten, wo es um das Wasser am schlechtesten bestellt ist, gibt es für gewöhnlich auch kein Holz, das du verbrennen könntest. Sei daher stets darauf bedacht, einen kleinen Vorrat Holzkohle bei dir zu tragen. Man kann sie viele, viele Male benutzen, ehe sie sich mit bösen Stoffen vollgesogen hat und unbrauchbar geworden ist.«
Auf dem Ritt den Furat hinunter schlugen wir unser Lager allerdings nur zweimal unter freiem Himmel auf, denn mein Vater konnte Wasser zwar von Insekten und Verunreinigungen befreien, nicht jedoch die Vögel aus dem Himmel verjagen, und ich habe bereits erwähnt, daß es in diesem Land viele Goldadler gibt.
An besagtem Tag hatte mein Onkel das Glück gehabt, im Gras auf einen großen Hasen zu stoßen, der sich in diesem Augenblick der Überraschung zitternd aufrichtete und verharrte. Mein Onkel hatte im Handumdrehen das Messer aus dem Gurt gezogen, damit nach dem Tier geworfen und es erlegt. Das war auch der Grund, warum wir beschlossen, im Freien zu lagern denn ein Essen ohne Hammelfleisch war für uns sehr verlockend. Doch als Onkel Mafio noch den abgebalgten Hasen auf einem zizafun-Ast und zwei Astgabeln übers Feuer legte, der Hase zu brutzeln anfing und zusammen mit dem Rauch der Bratengeruch in die Luft stieg, wurden wir nicht minder Opfer einer Überraschung, als es zuvor der Hase geworden war.
Aus dem Nachthimmel über uns erhob sich unvermittelt ein raschelndes, sausendes Geräusch. Ehe wir auch nur Zeit hatten aufzublicken, fuhr in einem Bogen ein Gewirr von Braun unter uns durch das Feuer hindurch und wieder ins nächtliche Dunkel hinein. Im selben Augenblick gab es einen Laut, der sich anhörte wie ein dumpfes klop, das Feuer stiebte funkenund aschesprühend auseinander, und der Hase samt Stecken zum Drehen war verschwunden. Das einzige, was wir danach noch hörten, war ein triumphierender, gebellartiger Schrei: kya!
»Malevolenza!« entfuhr es meinem Onkel, der eine große Feder aus den Überresten des Feuers herausholte. »Ein verdammter diebischer Adler! Acrimonia!«An diesem Abend mußten wir uns mit hartem Pökelfleisch aus unseren Vorräten begnügen. Das gleiche oder etwas sehr Ähnliches wiederholte sich am zweiten Abend, als wir unser Lager unter freiem Himmel aufschlugen. Diesmal, weil wir von einer vorüberziehenden arabischen bedawin-Familie die Lende eines frischgeschlachteten Kamelkalbs erstanden hatten. Als wir diese am Spieß zu braten gedachten und die Adler sie erspähten, kam neuerlich einer von ihnen im Sturzflug heruntergerauscht. Kaum hörte mein Onkel auch nur ansatzweise das Rauschen der Schwungfedern in der Luft, warf er sich beschützend der Länge nach über das bratende Fleisch. Damit rettete er uns das Abendessen, doch ihn hätten wir ums Haar verloren.
Ein Gold-oder Steinadler kann seine Schwingen weiter ausspannen als ein ausgewachsener Mann die Arme und wiegt ungefähr soviel wie ein größerer Hund; kommt er also herniedergesaust -oder sturzfliegt er, wie der Falkner sagt -, stellt er ein mörderisches Geschoß dar. In diesem Fall traf er
meinen Onkel am Hinterkopf -glücklicherweise nur mit einem
seiner Flügel und nicht mit den Greifern -, doch war der Aufprall
heftig genug, meinen Onkel über das Feuer stürzen zu lassen.
Mein Vater und ich zogen ihn sofort heraus und klopften die
Funken aus seiner bereits glimmenden abo, und mußten ihn
eine Zeitlang schütteln, bis er wieder zu sich kam, doch dann
kannte er in seinem Fluchen kein Halten mehr, bis ein
Hustenanfall ihn darin unterbrach. Ich hatte inzwischen neben
dem Spießbraten Aufstellung genommen und wirbelte auffällig
mit einem derben Knüttel in der Luft herum, was die Adler
fernhielt, so daß es uns gelang, das Fleisch zu garen und unser
Mahl zu uns zu nehmen. Gleichwohl beschlossen wir, solange
wir durch Adlergebiet zogen, unsere Abneigung gegen Hammel
zu bezwingen und fürderhin jede Nacht
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