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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Palastgemach, ja, noch nicht einmal in einer Schlafkammer in einer karwansarai, sondern in der engen finstern Zelle des vulcano in Venedig. Der alte Mordecai Cartafilo sagte: »Irregeleiteter, wirst du denn niemals lernen, wie blutrünstig Schönheit ist?« und reichte mir einen viereckigen weißen Zwieback, ihn zu essen.
    Der war so trocken und schmeckte so widerwärtig, daß ich würgte. Ich erbrach mich unter derartigen Krämpfen, daß ich erwachte, das heißt, diesmal wirklich wach wurde -in dem Raum in der karwansarai, wo ich feststellte, daß die Übelkeit, die mich befallen, keineswegs nur geträumt war. Offenbar war mit dem Hammel oder etwas anderem an unserem Essen wirklich etwas nicht in Ordnung gewesen, denn mir war hundeelend zumute. Mit fahrigen Bewegungen befreite ich mich von meinen Decken und rannte nackend und barfüßig den Gang zu jenem kleinen Verschlag mit dem Loch im Boden hinunter. Darüber ließ ich den Kopf hängen, und mir war viel zu übel, um vor dem Gestank zurückzuweichen, der mir daraus entgegenschlug, oder um Angst davor zu haben, daß ein jinni-Dämon aus der Tiefe daraus nach mir greifen könnte. So still, wie es mir möglich war, erbrach ich einen abscheulichen grünlichen Brei, wischte mir die Tränen aus den Augen, schöpfte wieder Atem und patschte leise wieder zurück zu meiner Kammer. Als ich mich den Gang entlangschlich, kam ich an der Tür zur Kammer meines Onkels vorüber und hörte ihn dahinter etwas brummeln.
    Da mir ohnehin noch schwindlig war, lehnte ich mich gegen die Wand und lauschte auf das, was er von sich gab. Was ich mit gespitzten Ohren hörte, war teils das Schnarchen meines Onkels, teils ein zischendes, leises Sprechen. Es verwunderte mich, daß er gleichzeitig schnarchen und sprechen können sollte, und so lauschte ich um so angestrengter. Die Worte waren Farsi, und so konnte ich sie nicht alle verstehen. Doch als die erstaunt klingende Stimme etwas lauter wurde, hörte ich deutlich:
    »Knoblauch? Die Ungläubigen tun so, als wären sie Kaufleute
    und dann tragen sie nur wertlosen Knoblauch bei sich?« Ich faßte die Kammertür an. Sie war nicht verriegelt. Mühelos und lautlos ging sie auf. Drinnen bewegte sich ein kleines Licht hin und her, und als ich genauer hinblickte, erkannte ich, daß es eine Dochtlampe in der Hand von Schönheit des Glaubensmonds war, der sich über die Satteltaschen meines Onkels beugte, die in einer Ecke des Raums aufeinandergetürmt waren. Der Wirt war offenkundig dabei, uns zu bestehlen, hatte die Päckchen bereits geöffnet, hatte die
    kostbaren zafran-Batzen gefunden und hielt sie
     
    irrtümlicherweise für Knoblauch.
    »Bei den neunundneunzig Eigenschaften Allahs -dieser
    Ungläubige hat ja ein Gemächt wie ein Hengst!«
     
    Obgleich mir immer noch übel war, hätte mich dieser Ausruf
    nahezu zum Kichern gebracht; mein Onkel lächelte beseligt im
    Schlaf, da er sich an entsprechender Stelle geliebkost fühlte.
     
    »Nicht nur ein unbeschnittener langer zab«, fuhr der Dieb fort,
    sich zu wundern, »sondern -Allah sei gepriesen für die
    Großmut, mit der er selbst Ungläubige beschenkt -zwei Paar
    Hoden!«
     
    Auch das hätte mich zum Kichern reizen können, doch im
    nächsten Augenblick hörte die Situation auf, lustig zu sein. Ich
    erkannte das Aufblitzen von Stahl im Lampenlicht, als der alte
    Schönheit seinen Dolch aus dem Gewand zog und ihn in die
    Höhe hob. Ich hatte keine Ahnung, ob er meinem Onkel den
    zab beschneiden oder von seinem überzähligen Hodensack
    befreien oder ihm die Gurgel durchschneiden wollte, aber ich
    wartete auch nicht erst ab, um das herauszufinden. Ich trat vor,
    ließ meine Faust herniedersausen und traf den Dieb mit einer
    solchen Wucht im Nacken, daß ich meinte, ihn kampfunfähig
    gemacht zu haben; doch so zerbrechlich der Alte aussah, er
    war keineswegs zart. Zwar fiel er auf die Seite, rollte sich
    jedoch wie ein Akrobat auf den Rücken und schnellte vom
    Boden hoch und ließ dabei seine Klinge in meine Richtung
    blitzen. Mehr durch Zufall denn durch gezieltes Zupacken
    bekam ich ihn am Handgelenk zu packen. Dieses drehte ich
    und riß an seiner Hand, bis ich schließlich den Dolch in meiner
    eigenen Hand wiederfand und zustieß. Diesmal stürzte er zu
    Boden und blieb dort auch, stöhnend und mit blutigem Schaum
    vorm Mund.
     
    Das Handgemenge war nur kurz gewesen, aber nicht lautlos
    verlaufen; trotzdem hatte mein Onkel weitergeschlafen und
    schlief immer noch und lächelte im

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