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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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in einer karwansarai zu
    verbringen.
     
    »Ihr seid gut beraten, das zu tun«, erklärte uns der Wirt am
    nächsten Abend, als wir uns wiederum zu einem scheußlichen
    Hammel-und-Reis -Gericht niedergelassen hatten. Wir waren in
    dieser Nacht die einzigen Gäste, und so plauderte er mit uns,
    während er den Staub, der sich im Laufe des Tages in seiner
    Küche angesammelt hatte, zur Tür hinauskehrte. Sein Name
    war Hasan Badr-al-Din, was nun überhaupt nicht zu ihm paßte,
    denn übersetzt hieß das Schönheit des Glaubensmonds. Er
    war verhutzelt und knorrig wie ein alter Olivenbaum, hatte ein
    Gesicht, so ledrig und verrunt wie die Schürze eines
    Flickschusters, und einen schütteren Bart, der sich ausnahm
    wie ein Strahlenkranz aus Runzeln, die in seinem Gesicht
    keinen Platz mehr fanden. »Es ist nicht gut, nachts ungeschützt
    draußen zu sein im Land der mulahidat, der Irregeleiteten.«
     
    »Was sind das, die Irregeleiteten?« erkundigte ich mich und
    nippte an einem Sorbet, so bitter, daß es aus unreifem Obst
    gemacht sein mußte.
     
    Schönheit des Glaubensmonds versprengte jetzt Wasser im
     
    Raum,
    um den noch verbliebenen Staub zu binden. »Vielleicht habt Ihr
    unter dem Namen hashishiyin von ihnen gehört. Das sind die
    Töter, die für den Alten vom Berge töten.«
     
    »Von welchem Berge?« fragte mein Onkel knurrend. »Dies
     
    Land hier ist flacher als die See bei Schönwetter.«
    »So hat man ihn immer genannt - den Sheikh ul-Jibal; dabei
    weiß niemand, ob er wirklich lebt. Und ob er seine Burg wirklich
    auf einem Berg stehen hat oder nicht.«
     
    »Es gibt ihn nicht«, sagte mein Vater. »Dieser alte Quälgeist
    wurde vom Ilkhan Hulagu erschlagen, als die Mongolen vor
    fünfzehn Jahren hier durchzogen.«
     
    »Wahr«, sagte die gealterte Schönheit, »und doch nicht wahr.
    Das war der Alte Mann Rokn-ed-Din Kurshah. Nur gibt es
    immer einen neuen Alten, wißt Ihr.«
     
    »Das habe ich nicht gewußt.«
    »Aber ja doch. Und der Alte befehligt die mulahidat immer
    noch, obwohl einige von den Irregeleiteten jetzt selbst alte
    Männer sein müssen. Er vergibt ihre Dienste an die Gläubigen,
    die seiner Hilfe bedürfen. Wie ich gehört habe, haben die
    ägyptischen Mamelucken einen hohen Preis dafür gezahlt, daß
     
    ein hashishin jenen englischen Fürsten erschlägt, der die
    christlichen Kreuzfahrer anführt.«
    »Dann haben sie ihr Geld zum Fenster hinausgeworfen«,
     
    erklärte Onkel Mafio. »Denn es ist vielmehr so, daß der
     
    Engländer den sassin erschlagen hat.«
    Achselzuckend sagte die Schönheit: »Dann wird ein anderer es
    versuchen und dann noch ein anderer, bis es getan ist. Der Alte
    wird befehlen, und sie werden gehorchen.«
     
    »Warum?« fragte ich und biß in einen Klumpen schimmelig
    schmeckenden Reis. »Warum setzt jemand sein eigenes Leben
    aufs Spiel, um auf Verlangen eines anderen jemand
    umzubringen?«
     
    »Ach, um das zu begreifen, junger Scheich, müßtet Ihr den
    heiligen Koran verstehen.« Er trat näher und setzte sich zu uns
    ans Speisetuch, so, als mache es ihm Freude, es zu erklären.
    »In diesem Buch macht der Prophet (Friede sei mit Ihm!) den
    Gläubigen ein Versprechen. Er verspricht jedem Mann vorausgesetzt, er wird in seiner Frömmigkeit nie wankend -,
     
    einmal in seinem Leben werde er eine wundersame Nacht
    erleben, die Nacht des Möglichen, und in dieser Nacht werde
    ihm jeder Wunsch und jedes Verlangen erfüllt.« Der alte Mann
    verzog die Runzeln in seinem Gesicht zu einem Lächeln, einem
    Lächeln, das halb glücklich, halb schwermütig war. »Eine
    Nacht, erfüllt von Wohlbehagen und Luxus, herrlichen Speisen
    und Getränken und banj sowie mit schönen und willfährigen
    haura-Mädchen und Knaben, erneuerter Jugend und
    Manneskraft, sie zu genießen. Deshalb ergibt sich jeder Mann,
    der glaubt, einem Leben strenger Frömmigkeit und hofft auf
    ebendiese Nacht des Möglichen.«
     
    Gedankenverloren hielt er inne. Nach einer Weile meinte Onkel
     
    Mafio: »Das ist gewiß ein verlockender Traum.«
    Wie aus weiter Ferne sagte Schönheit: »Träume sind die
    gemalten Bilder im Buche des Schlafs.«
     
    Wieder warteten wir, doch dann sagte ich: »Ich sehe aber nicht,
     
    was das mit...«
    »... dem Alten vom Berge zu tun hätte?« unterbrach er mich,
    als wache er unvermittelt wieder auf. »Der Alte schenkt diese
    Nacht des Möglichen. Und dann lockt er mit dem Versprechen
    weiterer solcher Nächte.«
     
    Mein Vater, mein Onkel und ich

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