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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Schlaf. Erschrocken
    darüber, was gerade eben getan worden war und ums Haar
    getan worden wäre, kam ich mir schrecklich verlassen in der
     
    Kammer vor und war sehr auf einen Bundesgenossen
    angewiesen. Wiewohl mir die Hände zitterten, schüttelte ich
    Onkel Mafio und mußte ihn in der Tat heftig schütteln, bis er zu
    Bewußtsein kam. Jetzt endlich ging mir auf, daß unser alles
    andere als gewöhnliches Abendessen reichlich mit banj
    gewürzt worden war. Fast wäre es um uns alle drei geschehen
    gewesen, hätte ich nicht diesen Traum gehabt, der mich
    geweckt, mich die Gefahr erkennen und die Droge hatte
    herauswürgen lassen.
     
    Schließlich kam mein Onkel widerwillig zu sich, lächelte und
    murmelte: »Die Blumen... die Tänzerinnen... die Finger und
    Lippen, die meine Flöte bliesen und spielten...« Dann bunkerte
    er und rief: »Dio me varda! Marco, das warst doch nicht etwa
    du!?«
     
    »Nein, Zio Mafio«, sagte ich und verfiel in meiner Erregtheit ins
    Venezianische. »Du bist in Gefahr gewesen. Wir sind immer
    noch in Gefahr. Bitte, wacht endlich auf!«
     
    »Adio de vu'« sagte er ärgerlich. »Warum hast du mich aus
     
    diesem wundersamen Garten herausgerissen?«
    »Ich glaub', das war der Garten der hashishiyin. Und der, den
    ich gerade erdolcht habe, war ein Irregeleiteter.«
     
    »Unseren Wirt!« entfuhr es meinem Onkel, als er sich aufsetzte
    und die auf dem Boden zusammengebrochene Gestalt liegen
    sah. »Ach, scagaron, was hast du getan? Spielst du etwa
    wieder den bravo?«
     
    »Nein, Zio, schaut! Es ist sein eigener Dolch, der in ihm steckt.
    Er war im Begriff, Euch zu ermorden, um an Euren Beutel
    Moschus heranzukommen.« Als ich ihm die Umstände
    erläuterte, fing ich an zu weinen.
     
    Onkel Mafio beugte sich über den alten Mann und untersuchte
    ihn knurrend. »Mitten in den Bauch. Noch nicht tot, aber im
    Sterben.« Dann wandte er sich mir zu und sagte freundlich:
    »Aber, aber, Junge. Hör jetzt auf zu flennen. Geh und weck
    deinen Vater auf!«
     
    Schönheit des Glaubensmonds war niemand, über den man
    heiße Tränen hätte vergießen müssen, gleichgültig, ob er tot
     
    war oder lebendig oder ob er im Sterben lag. Immerhin war er der erste Mensch, dem ich mit eigener Hand den Garaus gemacht hatte, und das Töten eines anderen Menschen ist kein alberner Meilenstein im Leben eines Mannes. Als ich ging, meinen Vater aus dem hashish-Garten herauszuholen, dachte ich darüber nach, wirklich von Glück sagen zu können, daß es daheim in Venedig eine andere Hand gewesen war, die meinem schuldlosen ersten Opfer die Klinge in den Leib gerammt hatte. Denn eines hatte ich, was das Umbringen oder zumindest das Umbringen eines anderen mit dem Dolch betrifft, soeben gelernt. Die Klinge dringt recht mühelos in den Bauch des Opfers ein; es kommt einem vor, als ginge es wie von selbst. Steckt sie jedoch erst einmal drin, wird sie augenblicklich von den Versehrten Muskeln gepackt und genauso festgehalten, wie einst ein anderes Werkzeug meiner Person vom jungfräulichen Fleisch des Mädchens Doris festgehalten worden war. Es hatte mich überhaupt keine Mühe gekostet, Schönheit den Dolch in die Eingeweide zu stoßen; nur hinterher herausziehen konnte ich ihn nicht mehr. Und in diesem Augenblick war mir etwas erschreckend aufgegangen: daß eine so häßliche und so leicht von der Hand gegangene Tat nicht ungeschehen gemacht werden kann. Damit erschien mir das Töten weit weniger kühn als zuvor, weniger flott und weniger heldenhaft, als ich es mir vorgestellt hatte.
    Nachdem ich unter Mühen meinen Vater geweckt hatte, brachte ich ihn zum Tatort. Onkel Mafio hatte den Wirt trotz des immer weiter fließenden Blutes auf sein eigenes Deckenlager gelegt und seine Gliedmaßen so angeordnet, wie sie im Tode liegen sollen; jetzt sah es so aus, als redeten die beiden ganz freundschaftlich miteinander. Der alte Mann war der einzige von uns, der Kleider trug. Er blickte zu mir, seinem Mörder, auf, und muß in meinem Gesicht die Spuren der Tränen gesehen haben, denn er sagte: »Laßt es Euch nicht betrüben, junger Ungläubiger. Ihr habt den Irregeleitetsten von allen erschlagen. Ich habe schreckliches Unrecht getan. Der Prophet (Friede sei mit Ihm) hat uns strengstens auf getragen, einem Gast mit größter Achtung und Fürsorge zu begegnen. Sei er auch der niedrigste aller Derwische oder gar ein Ungläubiger, und sei auch nur eine Brotkrume im Haus vorhanden, und wenn auch die Familie und die Kinder

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