Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
durchquerten,
    um die Palastgärten wieder zu erreichen. Noch ein-oder
    zweimal versuchte ich, der Prinzessin auf irgendeine Art zu
    entlocken, was nun heute abend geschehen werde, doch zeigte
    sie sich meiner Neugier gegenüber unzugänglich. Erst als wir
    ausstiegen und sie und die Großmutter sich anschickten, sich in
     
    den Weraw-Frauentrakt zu begeben, spielte sie auf unser Stelldichein an. »Bis zum Aufgang des Monds«, sagte sie. »Wieder beim
    gulsa'at«.
    Ich mußte bis dahin einiges an Qualen durchstehen. Als ich
    mein Gemach erreichte, richtete Diener Karim mir aus, mir
    werde am Abend wieder die Ehre zuteil, zusammen mit Shah
    Zaman und seiner Shahryar Zahd zu speisen. Das war von
    ihrer Seite aus zweifellos ein Zeichen besonderer
    Wertschätzung -zumal ich noch so jung war und mein Vater
    und mein Onkel, die ja immerhin den Rang von Gesandten
    hatten, nicht mehr in Baghdad weilten. Gleichwohl gestehe ich,
    daß ich mir aus dieser Ehre nicht sonderlich viel machte und
    beim Essen nur dahockte und wünschte, es möge bald
    vorübergehen. Immerhin war mir einigermaßen unbehaglich
    zumute, ausgerechnet mit den Eltern jenes Mädchens
    zusammenzusitzen, das mich aufgefordert hatte, später am
    Abend zina zu begehen. (Von dem anderen Mädchen, das,
    soweit ich wußte, irgendwie an der zina beteiligt sein sollte,
    wußte ich nur, daß der Shah ihr Vater war; wer jedoch die
    Mutter war, konnte ich nicht einmal erraten.) Außerdem lief mir
    buchstäblich das Wasser im Mund zusammen bei der Aussicht
    auf das, was mich erwartete -wiewohl ich nicht wußte, was
    genau nun eigentlich. Obgleich meine Speicheldrüsen
    unentwegt arbeiteten, war es mir kaum möglich, die erlesenen
    Gerichte zu genießen -ganz zu schweigen davon, mich dabei
    auch noch angeregt zu unterhalten. Zum Glück schloß die
    Geschwätzigkeit der Shahryar es aus, daß ich mehr sagen
    mußte als gelegentlich: ›Jawohl, Hoheit‹ oder: ›Was Ihr nicht
    sagt!‹ und: ›Erzählt!‹ Und das tat sie mit Hingabe! Nichts hätte
    sie davon abhalten können; nur -viel Handfestes hat sie wohl
    nicht berichtet, denke ich.
     
    »Soso, Ihr habt also heute die Teppichknüpfer besucht«, sagte
    sie.
    »Jawohl, Hoheit.«
     
    »Ach, wißt Ihr, früher hat es mal einen Zauber-qali gegeben, mit
    dem man sich durch die Lüfte tragen lassen konnte.«
     
    »Was Ihr nicht sagt!«
    »Ja, man brauchte diesen qali nur zu betreten und ihm
    befehlen, einen in einen weit entfernten Teil der Erde zu
    bringen. Und, hui, flog er davon, über Berge, Meere und
    Wüsten -und brachte den Betreffenden im Handumdrehen
    dorthin.«
     
    »Erzählt!«
    »Gern. Ich werde Euch die Geschichte eines Prinzen erzählen.
    Seine Geliebte, gleichfalls von edlem Geblüt, wurde von einem
    riesigen Vogel Rock entführt, und das stürzte ihn in tiefste
     
    Verzweiflung. Deshalb erbat er sich von einem jinni einen
    Zauber-qali und...«
    Endlich war die Geschichte aus und auch das Essen vorbei;
     
    damit hatte auch mein ungeduldiges Warten ein Ende, und so
    eilte ich wie der Prinz im Märchen zu meiner
    Prinzessingeliebten. Sie stand beim Blumenrund, das die
    Tageszeit anzeigte, und zum ersten Mal war sie allein, wurde
    sie nicht von ihrer alten Aufpasserin begleitet. Sie nahm mich
    bei der Hand, führte mich die Gartenwege entlang und um den
    Palast herum zu einem Flügel, von dem ich bislang noch nicht
    einmal gewußt hatte, daß es ihn gab. Die Zugänge zu diesem
    Gebäude wurden genauso bewacht wie alle anderen
    Palasttore, doch Prinzessin Falter und ich brauchten nur im
    Dunkel eines Blütenstrauchs zu warten, bis beide Wa chen den
    Kopf wegdrehten. Das taten sie wie auf ein Stichwort hin beide
    zugleich, und ich fragte mich, ob Falter sie wohl bestochen
    haben mochte. Ungesehen oder zumindest unangerufen
    huschten sie und ich hinein, und sie führte mich durch eine
    Reihe von Gängen, in denen sich merkwürdigerweise keinerlei
    Wachen aufhielten, um etliche Ecken herum und schließlich
    durch eine gleichfalls unbewachte Tür.
     
    Wir befanden uns in ihren Gemächern, in denen viele
    prachtvolle qali sowie duftige durchsichtige Vorhänge und
    Schleier in allen möglichen sorto-Farben hingen oder in köstlich
     
    gewelltem Durcheinander gerafft oder hindrapiert waren freilich stets so, daß die dazwischen ihren sanften Schein verströmenden Flämmchen der Lampen sie nicht erreichen konnten. Der Boden war von einer Wand bis zur anderen mit sorto-farbenen Kissen gepolstert -und zwar so

Weitere Kostenlose Bücher