Marco Polo der Besessene 1
eine der Nächte, da die Prinzessinnen Falter und
Sonnenlicht und ich nicht zueinander kamen. Bei einer anderen
Gelegenheit sagte Falter mir, für die nächsten paar Nächte
solle ich mir etwas anderes vornehmen, denn sie erleide ihren
Mondfluch.
»Euren Mondfluch?« wiederholte ich ungläubig und echogleich.
Ungeduldig sagte sie: »Das Frauenbluten.«
»Und was ist das?« fragte ich, der ich auf Ehre und Gewissen
bis dato nie von so etwas gehört hatte.
Sie bedachte mich, amüsiert und verblüfft zugleich, mit einem
langen Seitenblick aus ihren grünen Augen und sagte
freundlich: »Ihr Tor! Wie alle jungen Männer haltet Ihr Frauen
für etwas Reines und Vollkommenes -wie das Völkchen der
kleinen geflügelten, peri genannten Wesen. Die zarten peri
essen nicht einmal, sondern leben von dem Duft, den sie aus
Blüten trinken; infolgedessen brauchen sie nie Wasser zu
lassen oder irgendwelche Notdurft zu verrichten. Ihr bildet Euch
ein, eine schöne Frau könne unmöglich mit den
Unvollkommenheiten und Widerwärtigkeiten behaftet sein, wie
sie dem Rest der Menschheit natürlich sind.«
Achselzuckend sagte ich: »Ist was Schlimmes daran, so zu
denken?«
»Ach, das würde ich nicht sagen, denn schließlich nutzen wir
schönen Frauen diesen männlichen Wahn weidlich aus.
Trotzdem ist es eine Wahnvorstellung, Marco, und jetzt werde
ich mein Geschlecht verraten und Euch die Augen darüber
öffnen. Hört mich also an!«
Sie erklärte mir, was einem Mädchen mit etwa zehn Jahren geschieht, was es zur Frau macht und ihr fürderhin jeden Mond einmal widerfährt.
»Wirklich?« sagte ich. »Das habe ich nicht gewußt. Allen
Frauen?« »Jawohl, und sie müssen diesen Mondfluch ertragen, bis sie alt werden und in jeder Hinsicht vertrocknen. Diesen Fluch begleiten auch noch Krämpfe, Rückenschmerzen und Gereiztheit. In dieser Zeit ist eine Frau griesgrämig und garstig, und eine kluge Frau hält sich während dieser Zeit von anderen Menschen fern oder nimmt bis zur Benommenheit banj oder Theriak zu sich, bis der Fluch vorbei ist.«
»Das klingt ja erschreckend« Falter lachte, doch heiter klang das nicht. »Weit erschreckender aber ist das, wenn ein Mond sich erfüllt und sie nicht mit dem Fluch belegt ist. Denn das bedeutet, daß sie schwanger ist. Und von der Niedergeschlagenheit, der Verzagtheit und der Peinlichkeit, die das mit sich bringt, will ich gar nicht erst anfangen zu reden. Ich komme mir kratzbürstig und garstig und hassenswert vor und werde mich daher zurückziehen. Ihr, Marco, geht fort, amüsiert Euch und genießt die Freiheit Eures
Körpers wie alle verdammten, nicht von dieser Pest geplagten Männer, und überlaßt mich meinem Elend als Frau.« Trotz der Beschreibung, die Prinzessin Falter von den
Schwächen ihres Geschlechts gab, habe ich es weder damals noch seither jemals fertiggebracht, in einer schönen Frau ein notwendigerweise mit einem Makel oder einem Fehler behaftetes Wesen zu sehen -zumindest nicht, solange sie sich nicht als solches zu erkennen gegeben hatte wie einst die Dame Ilaria, die auf diese Weise aller meiner Hochachtung verlustig gegangen war. Dort draußen im Osten lernte ich schöne Frauen auf eine neue Weise schätzen -und mache in dieser Hinsicht auch heute noch immer neue Entdeckungen. Nichts hat mich je dazu bringen können, sie zu verachten und zu verschmähen.
Um das zu verdeutlichen: In sehr jungen Jahren glaubte ich, die Körperschönheit einer Frau wohne nur in Zügen wie Gesicht und Brüsten, Beinen und Hinterteil, die man ja ohne weiteres zu sehen bekommt, sowie in den weniger leicht zu ergründenden Dingen wie einer hübschen, einladenden (und zugänglichen) Artischocke oder Venushügel, dem Me daillon und der mihrab. Inzwischen hatte ich jedoch genug Frauen gehabt und wußte, daß es sehr viel feinere Regionen gibt, in denen körperliche Schönheit sich kundtut. Um nur eine zu erwähnen: Was ich bei Frauen ganz besonders liebe, sind die zarten Sehnen, die sich an der Innenseite der Oberschenkel von der Leiste hinunter bis zur Kniekehle immer dann spannen, wenn sie sie auseinandernimmt. Auch war mir aufgegangen, daß es selbst in jenen Zügen, die allen schönen Frauen gemeinsam sind, noch Unterschiede gibt, die eben deswegen reizvoll sind und reizen, weil es sie gibt. Jede schöne Frau besitzt schöne Brüste und Brustwarzen, doch gibt es darin unzählige Unterschiede in bezug auf Fülle und Form, Proportion und Färbung -und
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