Marco Polo der Besessene 1
Schlimmeres
denken. »Per Christo, was ist, wenn nun Eure abstoßend
häßliche Schwester ein Kind von mir bekommt'! Wäre ich dann
gezwungen, Shams zu heiraten?«
»Keine Sorge, Marco. Jede Frau hier im anderun, gleichgültig,
welchem Volk sie angehört, kennt die besondere, von ihrem
Volk benutzte Methode, sich gegen dergleichen zu wappnen.«
Mit großen Augen starrte ich sie an. »Sie verstehen sich darauf,
eine Empfängnis zu verhüten?«
»Mit unterschiedlichem Erfolg - doch alles ist besser, als es einfach dem Zufall zu überlassen. Eine Araberin, zum Beispiel, stopft vorm zina einen mit dem Saft der Trauerweide getränkten Wollbausch in sich hinein. Perserinnen füttern ihr Inneres gleichsam mit der zarten weißen Basthaut aus, die unter der Rinde des Granatapfelbaums wächst.«
»Wie abscheulich sündig!« entfuhr es mir, wie es einem
Christen geziemte. »Und welche Methode ist besser?« »Die persische ist selbstverständlich vorzuziehen, weil sie für beide Liebende angenehmer ist. Shams zum Beispiel benutzt diese Methode, und ich möchte wetten, Ihr habt das nie gespürt.«
»Nein.« »Stellt Euch doch nur einmal vor, wie es wäre, wenn Ihr mit Eurer zarten lubya gegen ein dickes Wollknäuel stießet. Ganz abgesehen davon, daß ich der Wirksamkeit dieser Methode stark mißtraue. Woher sollte eine Araberin schon etwas von Empfängnisverhütung verstehen? Wenn ein Araber nicht ausdrücklich ein Kind machen will, würde er mit seiner Frau niemals zina machen, höchstens durch ihren Hintereingang, so
wie er es gewohnt ist, daß er andere Männer und Knaben benutzt und sie ihn!« Ich war erleichtert, daß Prinzessin Shams dank des
Granatapfelbasts nicht schwanger werden und ihre Häßlichkeit weitervererben könnte. Eigentlich jedoch hätte es mich beunruhigen müssen, denn schließlich beging ich dadurch eine der schlimmsten Todsünden, die ein Christ begehen kann. Sicherlich begegnete ich auf meinen Reisen, spätestens jedoch dann, wenn ich nach Venedig zurückkehrte, einem christlichen Priester, bei dem ich zu beichten verpflichtet gewesen wäre. Selbstverständlich würde der Priester mir eine Menge Bußen auferlegen dafür, daß ich es mit zwei unverheirateten Frauen gleichzeitig getrieben hatte; doch das war, verglichen mit der anderen, nur eine läßliche Sünde. Ich konnte mir sehr wohl vorstellen, wie entsetzt er wäre, wenn ich ihm beichtete, daß ich durch die bösen Künste des Orients instand gesetzt worden wäre, aus reiner Freude am Akt als solchem zu kopulieren, ohne dabei die christliche Absicht zu verfolgen oder auch nur zu erwarten, daß dabei Nachkommen entstehen könnten.
Überflüssig zu sagen, daß ich weiterhin freudig sündigte. Wenn es überhaupt etwas gab, meinen vollkommenen und umfassenden Genuß zu beeinträchtigen, so war es gewiß kein bohrendes Schuldgefühl. Das war vielmehr mein natürlicher Wunsch, daß jeder Vollzug von zina sich in Prinzessin Falter abspielen möchte, mit der ich mich liebte, und nicht in der ungeliebten und alles andere als lieblichen Prinzessin Shams. Doch als Falter streng alle tastenden Versuche in dieser Hins icht zurückwies, war ich so vernünftig, davon abzulassen. Ich wollte einfach nicht einer glücklichen Situation verlustig gehen aus lauter Gier nach einer vielleicht noch glücklicheren. Statt dessen erfand ich für mich eine Geschichte von der Art, wie die märchenerzählende Shahryar Zahd sie hätte erfinden können.
In der Geschichte, die ich mir ausdachte, also vor meinem geistigen Auge, war Prinzessin Sonnenlicht nicht die häßlichste Frau Persiens, sondern die wirklich wunderschönste. Ich machte sie so schön, daß Allah in Seiner Weisheit gebot: »Es ist undenkbar, daß die göttliche Schönheit und gesegnete Liebe der Prinzessin Shams nur dem Vergnügen eines einzigen Mannes vorbehalten sein soll.« Das war der Grund, warum Shams unverheiratet war und nie heiraten sollte. Ganz dem Willen des Allmächtigen Allah folgend, war sie gehalten, ihre Gunst allen guten und verdienstvollen Männern zu gewähren, die um sie warben; und im Augenblick war ich der Glückliche, dem sie zuteil wurde. Eine Zeitlang machte ich mir diese Geschichte nur dann zunutze, wenn es nötig war. Meistens bedurfte es während des nächtlichen zina nichts weiter als der höchst wirklichen Schönheit und greifbaren Nähe der Prinzessin Falter, um meine Glut zu entfachen und nicht zum Erlöschen zu bringen. Doch wenn unser Spiel den
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