Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
benötigten Dukaten, Zechinen oder Soldi ab und machte sich für jeden einzelnen Posten eine Notiz. Gab es etwas, das ich persönlich brauchte oder haben wollte und ich vor allem gute Gründe dafür anführte, warum ich es haben wollte, wurde es für gewöhnlich gekauft. Aber außer ein paar Kupfer-Bagatini besaß ich in meiner Kindheit zu keiner Zeit irgendwelches Klimpergeld.
    Immerhin brachte ich es fertig, die Verhältnisse der Hafenrangen insoweit etwas zu verbessern, als sie das Feld ihrer Diebereien etwas ausweiten konnten. Sie hatten von jeher von den Krämern und Hökern ihres eigenen elendigen Viertels das eine oder andere gestohlen, von den kleinen Händlern also, die kaum besser dran waren als sie selbst und deren Waren das Stehlen kaum lohnten. Ich jedoch führte die Kinder nunmehr in das feinere Viertel, in dem ich lebte, und wo Waren von wesentlich besserer Qualität feilgeboten wurden. Und darüber hinaus dachten wir uns eine Methode des Stehlens aus, die weit besser war als das An-sich-Reißen und Sich-ausdem-Staub-Machen.
    Die Merceria ist die breiteste, geradeste und längste Straße Venedigs, was auf nichts anderes hinausläuft, als dass sie praktisch die einzige Straße überhaupt ist, die man breit und gerade oder lang nennen kann. Zu beiden Seiten reihen sich Läden mit offenen Fronten aneinander, und zwischen ihnen werden an langen Reihen von Ständen und Karren womöglich noch lebhaftere Geschäfte getätigt; hier wurde alles verkauft, von Seiden und Tuchen bis zu Stundengläsern und von gewöhnlichen Lebensmitteln des täglichen Bedarfs bis zu den feinsten Delikatessen.
    Mal angenommen, wir erblickten auf dem Karren eines Fleischers eine Platte mit Kalbsschnitzeln, bei deren Anblick den Kindern das Wasser im Mund zusammenlief. Ein Junge namens Daniele war unser schnellster Läufer. Folglich war er es, der sich bis zum Karren durchdrängelte, eine Handvoll Schnitzel packte und machte, dass er davonkam, wobei er ums Haar ein kleines Mädchen umgerannt hätte, die ihm in den Weg gelaufen war. So dumm es schien - aber Daniele lief weiter l die breite, gerade und offene Merceria hinunter, wo man ihn nicht aus i den Augen verlor und leicht verfolgen konnte. Folglich liefen der Helfer des Fleischers sowie ein paar empörte Kunden hinter ihm her und riefen in einem fort: »Alto!« und »Salva!« und »Ladro!«
    Doch bei dem Mädchen, das Daniele umgerannt hatte, handelte es sich um unsere Doris, der dieser in diesem Augenblick, da alles drunter und drüber ging, unbemerkt seine Beute zugesteckt hatte, mit der Doris, auf die niemand weiter achtete, in einer der gewundenen, schmalen Seitengassen verschwand. Da seine Flucht von den vielen Menschen auf der Merceria etwas behindert wurde, lief Daniele Gefahr, geschnappt zu werden. Seine Verfolger kamen näher, andere Vorübergehende griffen nach ihm, und alle zusammen riefen nach einem Sbiro. Die Sbiri sind Venedigs affengleiche Polizisten, und einer von ihnen, der den Ruf vernommen hatte, schob sich jetzt durch die gaffende Menge, um dem Dieb den Weg abzuschneiden. Nur stand ich in der Nähe -das schaffte ich jedesmal bei diesen Gelegenheiten. Daniele hörte auf zu laufen, woraufhin ich es war, der die Beine in die Hand nahm, so dass es aussah, als wäre ich der Gesuchte. Ich lief dem Sbiro also absichtlich in die ausgebreiteten Affenarme.
    Nachdem man mir ein paar tüchtige Maulschellen verabreicht hatte, wurde ich unweigerlich erkannt. Darauf verließ ich mich jedesmal. Der Sbiro und die aufgebrachten Bürger schleiften mich zu meinem nicht weit von der Merceria entfernten Elternhaus. Wurde gegen die auf die.Straße hinausführende Tür des Palazzo gehämmert, machte der unglückliche Maggiordomo Attilio auf, hörte sich die durcheinandergehenden Anschuldigungen und Verwünschungen an und setzte dann mißmutig seinen Daumenabdruck unter ein paghero, ein Stück Papier, mit dem man verspricht zu bezahlen; auf diese Weise wurde die Compagnia Polo verpflichtet, den Fleischer für seinen Verlust zu entschädigen.
    Nachdem der Hüter des Gesetzes mir ernstlich ins Gewissen geredet und mich noch einmal tüchtig durchgeschüttelt hatte, ließ er meinen Kragen los und entfernte sich mit der Menge.
    Wenngleich ich auch nicht jedesmal einspringen mußte, wenn die Hafenrangen etwas stahlen -denn meistens schafften sie es, dass Räuber und Entgegennehmer ungeschoren davonkamen -, so wurde ich doch häufiger zur Ca' Polo geschleift, als ich mich erinnern kann, was

Weitere Kostenlose Bücher