Marco Polo der Besessene 1
aus hineilen, genauso wie zahllose andere Prinzen selbst aus dem fernen Sabaea und Kashmir, und nicht einer war enttäuscht, wenn er sie sah.«
Leise stieß ich ein spöttisch-unhöfliches Geräusch aus, das Ungläubigkeit verriet, doch war es nicht laut genug, daß er es hätte hören können.
»Ich könnte Euch von den strahlenden Augen, den Rosenlippen und der biegsamen Anmut des Mädchens erzählen, doch damit könntet Ihr Euch immer noch keine Vorstellung von ihr machen. Denn ach, allein einen Blick auf sie zu werfen, konnte einen Mann entflammen lassen und ihn doch gleichzeitig erfrischen. Sie war wie -wie ein Kleeanger, der von der Sonne erwärmt war und über den dann ein sanfter Regen herniedergegangen ist. Jawohl. Denn das ist das Wohlduftendste, das Gott auf dieser Erde geschaffen hat, und jedesmal, wenn ich diesen Duft in die Nase bekomme, muß ich an die junge und wunderschöne Prinzessin Shams denken.«
Eine Frau mit Klee zu vergleichen! Typisch für den bäurischen und phantasielosen Schafhirten, dachte ich. Gewiß hatte das Denkvermögen des Alten darunter gelitten und war abgestumpft unter den vielen Jahrzehnten, da er mit nichts anderem denn fettigen Schafen und womöglich noch fettigeren Nestorianern Umgang gehabt hatte.
»Es gab keinen Mann in ganz Persien, der nicht riskiert hätte, mit einer Tracht Prügel von den Palastwachen in Kirman vertrieben zu werden, bloß um sich heranzuschleichen und einen flüchtigen Blick auf Prinzessin Sonnenlicht werfen zu können, die sich in den Palastgärten erging. Sein Leben hätte ein Mann gegeben, um sie ohne chador-Schleier sehen zu dürfen. Und in der unbestimmten Hoffnung, ein Lächeln von ihr geschenkt zu bekommen, hätte ein Mann gewiß seine unsterbliche Seele gegeben. Weitere Vertraulichkeiten -ach, unmöglich, daran auch nur zu denken! Selbst für die vielen, vielen Prinzen von königlichem Geblüt, die sich bereits unsterblich in sie verliebt hatten.«
Fassungslos und ungläubig starrte ich Vizan an. Das alte Weibsbild, mit dem ich so viele Nächte nackt verbracht -ein unerreichbarer Traum? Unmöglich! Lächerlich!
»Es gab so viele Freier, und alle verzehrten sie sich in Sehnsucht nach ihr, daß die zartbesaitete Shams es nicht fertigbrachte, einen aus ihrer Schar zu erwählen; sie konnte es einfach nicht, aber vielleicht wollte sie es auch nicht. Und auch der Shah, ihr Vater, wollte lange Zeit hindurch nicht die Wahl für sie treffen. Dabei wurde er von so vielen bedrängt, beschworen, und ein jeder überhäufte ihn mit noch kostbareren Geschenken als sein Vorgänger. Diese Werbung ging jahrelang weiter, und Shams war immer noch unvermählt. Dabei wurde sie immer rosenhaft schöner, in ihrer Anmut immer weidenhaft biegsamer und ihr Duft immer betörender wie der von Klee, der in der Blüte steht.«
Ich saß immer noch da und starrte ihn an, doch jetzt wich meine Skepsis nachgerade Fassungslosigkeit. All dies war die Frau gewesen, die mich geliebt hatte? Für diesen Mann so überaus begehrenswert und für andere Männer in jener längstvergangenen Zeit desgleichen? Von so köstlicher Erinnerungswürdigkeit, daß sie immer noch unvergessen war, zumindest von diesem Mann, wenn dieser sich jetzt auch dem Ende seines Lebens näherte?
Onkel Mafio wollte sprechen, hüstelte erst, räusperte sich dann und sagte: »Und was kam bei der Werbung der vielen Freier schließlich heraus?«
»Oh, die fand schließlich in der Tat ein Ende. Ihr Vater, der Shah, wählte schließlich -mit ihrer Billigung, wie ich annehme den Shahzade von Shiraz für sie aus. Er und Shams wurden
vermählt, und das gesamte Persische Reich -bis auf die
zurückgewiesenen Freier - feierten freudig. Nur -lange Zeit war
der Verbindung keine Nachkommenschaft beschert. Ich habe
den starken Verdacht, daß der Bräutigam von seinem Glück
und der reinen Schönheit seiner Frau dermaßen überwältigt
war, daß es ziemlich lange dauerte, ehe er imstande war, die
Ehe überhaupt zu vollziehen. Erst nachdem sein Vater
gestorben und er als Shah sein Nachfolger in Shiraz geworden
war - und Shams dreißig oder gar noch mehr Jahre zählte -,
kam ihr einziges Kind zur Welt, leider auch nur eine Tochter.
Diese war gleichfalls wunderschön, hat man mir gesagt, doch
mit ihrer Mutter konnte sie sich nicht vergleichen. Das war
Zahd, die jetzt Shahryar von Baghdad ist; sie muß, wenn ich
mich nicht irre, selbst schon eine fast erwachsene Tochter
haben.«
»Ja, das hat sie«,
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