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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Boden ohnehin schon war -und da auch noch jeder Spritzer, der uns erreichte, an den Beinen und Flanken der Tiere oder an uns gefror -, hielten wir uns, wo immer das möglich war, ein ganzes Stück davon entfernt.
    Ein weiterer Hinweis auf unseren stetigen Aufstieg war das merkliche Dünnerwerden der Luft. Man hat mir das oft nicht glauben wollen, ja, sich bisweilen darüber lustig gemacht, wenn ich Reiseunkundigen davon berichtete. Ich weiß genauso gut wie sie, daß Luft immer gewichtslos ist und man sie nur dann spürt, wenn sie sich als Wind bewegt. Wenn Ungläubige wissen wollten, wieso ein gewichtsloses Element dennoch noch schwereloser werden kann, kann ich ihnen nicht sagen, wieso oder warum das so ist. Ich weiß nur, daß dem tatsächlich so ist. Die Luft in diesen Bergeshöhen wird immer mehr entstofflicht, und das läßt sich nachweisen.
    Zunächst einmal muß der Mensch dort oben tiefer atmen, um die Lungen zu füllen. Das hat nichts mit dem Keuchen zu tun, wie es durch schnelle Bewegung oder große körperliche Anstrengung hervorgerufen wird; auch wer mucksmäuschenstill steht, muß das tun. Strengte ich mich besonders an -beim Beladen der Pferde oder beim Hinwegklettern über einen Felsen, der uns den Weg versperrte -, mußte ich so hechelnd, hart und tief atmen, daß ich das Gefühl hatte, einfach nicht genug Luft in mich hereinzubekommen, wie ich sie brauchte, um am Leben zu bleiben. Das haben manche Zweifler als eine durch Überanstrengung und Strapazen hervorgerufene Einbildung abgetan, und damit mußten wir ja weiß Gott genug kämpfen; gleichwohl behaupte ich, daß die dünne Luft etwas höchst Wirkliches war. Zusätzlich möchte ich anführen, daß Onkel Mafio, der gleich uns tief zu atmen gezwungen war, nicht mehr so häufig und schmerzlich von Hustenanfällen heimgesucht wurde wie zuvor. Ganz offensichtlich lag ihm die dünne Luft des Hochgebirges nicht so schwer auf der Lunge und mußte daher auch nicht so oft gewaltsam ausgestoßen werden.
    Aber ich kann auch noch andere Beweise anführen. Feuer und Luft sind beide schwerelos und außerdem die nächsten Verwandten unter den vier Elementen, das wird jeder zugeben. Aber wo im Hochgebirge die Luft schwächer ist, ist auch das Feuer schwächer. Es brennt mit bläulicherer, weniger heller, gelblicher Flamme. Das lag nicht nur daran, daß wir den heimischen Burtsa-Strauch als Brennmaterial benutzen mußten; ich experimentierte auch mit anderen, vertrauteren Dingen wie etwa Papier; die Fl amme, mit der dies brennt, ist gleichfalls viel schwächer und kraftloser als unten im Tal. Selbst wenn wir ein gut unterhaltenes und gut angelegtes Lagerfeuer brennen hatten, dauerte es länger, ein Stück Fleisch zu versengen oder einen Topf Wasser zum Kochen zu bringen, als dies im Tiefland der Fall gewesen wäre. Nicht nur das, es dauerte auch länger, etwas in diesem siedenden Wasser zu garen.
    In dieser Winterzeit gab es keine großen karwans, die hier durchkamen; trotzdem begegneten wir gelegentlich Gruppen von Reisenden. Die meisten dieser Reisenden waren Jäger oder Fallensteller, die es auf Pelztiere abgesehen hatten und die von einem Ort in den Bergen zum anderen zogen. Der Winter war ihre Arbeitszeit; im milderen Frühling brachten sie dann ihre angesammelten Vorräte an Pelzen und Fellen hinunter auf den Markt in einer der Tieflandstädte. Ihre zotteligen kleinen Packpferde waren hochbeladen mit Ballen von Pelzen von Fuchs, Wolf, Pardel und Urial -einem wilden Schaf - und Goral, einem Mittelding zwischen Ziege und qazel. Diese Fallensteller und Jäger sagten uns, dies Tal, das wir hinaufstiegen, werde Wakhän oder manchmal Wakhän-Korridor genannt, weil nach allen Seiten eine Menge Bergpässe davon abgingen wie Türen von einem Korridor; außerdem stelle das Tal sowohl die Grenze als auch die Zugangsstraße zu all den dahin-terliegenden Ländern dar. Gen Süden, so sagten sie, führten Pässe aus dem Korridor hinaus in Lander hinein, die Chitral, Hunza und Kashmir hießen, im Osten in ein Land namens To-Bhot und im Norden in das Land Tazhikistan.
    »Dann liegt Tazhikistan also jenseits dieser Berge7« sagte mein Vater und wandte den Kopf, um nach Norden zu blicken. »Dann können wir jetzt nicht allzu weit von der Route entfernt sein, die wir auf dem Heimweg eingeschlagen haben, Mafio.«
    »Das ist wahr«, sagte mein Onkel, und das klang müde und erleichtert zugleich. »Wir brauchen ja bloß durch Tazhikistan zu ziehen und dann ein kurzes Stück nach

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