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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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gefeiert wurde sie hießen etwa Zu-l-Heg-geh oder Yom Ashura -, doch bekamen wir an solchen Tagen Rindfleisch statt Hammel sowie einen Reis vorgesetzt, der pilaf hieß und rot oder gelb oder blau gefärbt war. Manchmal gab es auch kleine, samosa genannte Fleischpasteten und eine Art Sorbet aus Schnee mit Pistazienoder Sandelholzgeschmack, und einmal -aber auch wirklich nur dies eine Mal, doch habe ich den Geschmack heute noch auf der Zunge -gab es zum Nachtisch einen aus zerstoßenem Ingwer und Knoblauch bereiteten Pudding.
    Nichts konnte uns davon abhalten, die verschiedenen Gerichte anderer Völker und Religionen zu essen, was wir sogar sehr oft taten. In den kleineren Außengebäuden der karwansarai und in den Zelten ringsum lebten Menschen aller möglichen Lander, Sitten und Gebräuche und Sprachen. Da gab es persische und arabische Kaufleute sowie Pakhtuni-Pferdehändler, die gleich uns aus dem Westen kamen, große blonde Russniaken aus dem hohen Norden und gelblichbraune, vierschrötige Tazhiken aus dem Land nicht ganz so hoch im Norden, plattnasige Bho aus dem weiter östlich gelegenen Land, das Hoher Hort der Bho oder in ihrer Sprache To-Bhot hieß, dunkelhäutige kleine Hindus und tamilische Cholas aus dem Süden Indiens, sodann grauäugige und hellhaarige Hunzukut und Kalash genannte Menschen nicht weit im Süden von hier, etliche Juden unbestimmter Herkunft und viele andere. Das war die bunt zusammengewürfelte Einwohnerschaft, die Buzai Gumbad zumindest im Winter - zu einem Ort von der Größe einer Stadt machte und die sich alle darum bemühten, sie zu einem gut funktionierenden Gemeinwesen zu machen, in dem man gern lebte. Ja, man muß wirklich sagen, daß hier ein wesentlich
    angenehmeres und freundschaftlicheres
    Nachbarschaftsverhältnis herrschte als in vielen ständigen
    Siedlungen, die ich kennengelernt habe.
     
    Zu den Mahlzeiten konnte ein jeder am Kochfeuer einer jeden Familie Platz nehmen und wurde willkommen geheißen - selbst wenn man außerstande war, eine für beide Seiten verständliche Sprache zu sprechen -, wobei man davon ausging, daß jeder auch am Kochfeuer des nächsten Nachbarn willkommen geheißen würde. Als der Winter zu Ende ging, hatten wir Polos vermutlich jede Art von Essen gekostet, das in Buzai Gumbad gekocht wurde, und, da wir selbst nicht kochten, viele Menschen in Iqbals Speisehalle zu Gast gehabt. Abgesehen
    von den vielen Essenserfahrungen -von denen einige so köstlich waren, daß sie es wert waren, sich daran zu erinnern, andere hingegen nicht, da sie einfach furchtbar waren -, hatte das Gemeinwesen aber auch noch andere Abwechslungen zu bieten. Fast jeder Tag war für irgendeine Volksgruppe Festtag, und man freute sich, wenn alle anderen im Lager kamen, um zuzusehen, sich ihnen beim Musikmachen zuzugesellen, zu singen und zu tanzen und an ihren sportlichen Wettkämpfen teilzunehmen. Selbstverständlich hatte nicht alles in Buzai Gumbad Feiertagscharakter, doch gelang es, die unterschiedlichsten Leute auch noch bei ernsteren Anlässen zusammenzubringen. Da alle den unterschiedlichsten Gesetzesweisen anhingen, hatten sie einen Mann von jeder Hautfarbe, Zunge und Religion, die dort zusammengekomen waren, ausgewählt, gleichsam einen Gerichtshof zu bilden und Beschwerden über Betrügereien, Unruhestiftung und andere Vergehen anzuhören.
    Ich habe Gerichtshof und Feste in einem Atemzug genannt, weil sie beide bei einem Zwischenfall eine Rolle spielten, der mich amüsierte. Die Kalash genannten, recht schönen Menschen waren schon ein streitsüchtiger Haufen -allerdings stritten sie ausschließlich untereinander und nie blindwütig; für gewöhnlich endeten ihre Auseinandersetzungen im allgemeinen Gelächter. Sie waren aber auch lustig und musikbegeistert und von anmutigem Wesen; sie kannten eine ganze Reihe von verschiedenen Kalash-Tänzen, die zum Beispiel kikli und dhamal hießen und die sie fast jeden Tag tanzten. Einer ihrer Tänze jedoch -luddi genannt -bleibt nach meinen Erfahrungen mit Tänzen einzigartig.
    Als ich ihn das erste Mal erlebte, wurde er von einem Kalash-Mann getanzt, der vor den bunt zusammengewürfelten Gerichtshof von Buzai Gumbad gerufen und beschuldigt worden war, einem seiner Nachbarn -gleichfalls ein Kalash ein paar Kamelglocken gestohlen zu haben. Als das Gericht ihn mangels Beweises freisprach, hoben sämtliche anwesenden Kalash -der Kläger eingeschlossen -ein ohrenbetäubendes Konzert aus quietschenden und klirrenden Flöten und

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