Marco Polo der Besessene 1
bringen. Sie lehrte mich auch noch andere Dinge zu tun, die sie selbst nicht bewerkstelligen konnte und auf die ich im Traum nicht verfallen wäre. So drehte ich denn mit den Fingern gleichsam die Kurbel einer viella oder Drehleier, während ich gleich darauf die Lippen benutzte, als gälte es, ein Dulzian zu blasen, um im nächsten schon den Zungenstoß zu üben wie ein Flötist.
Erst als unser nachmittägliches divertimento weit fortgeschritten war, gab Ilaria das Zeichen für den Einsatz unserer beider Hauptinstrumente; wir spielten all' unisono, und die Musik schwoll zu einem unglaublichen Höhepunkt di tuti fortisimi an. Danach führten wir sie im Laufe des Nachmittags immer und immer wieder auf diesen Gipfel hinauf. Hinterher spielten wir etliche code, eine jede ein wenig mehr diminuendo, bis wir schließlich beide keinen Ton mehr hervorbrachten. Seite an Seite lagen wir da und genossen die abschwellenden tremoli des Nachhalls... dolce... dolce... dolce...
Nach einer Weile wollte ich mich zuvorkommend zeigen und fragte: »Ist Euch nicht danach, umherzuhopsen und zu niesen?«
Wieder fuhr sie leicht zusammen, blickte mich von der Seite an und murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte. Dann sagte sie: »No, grazie, das ist mir nicht, Marco. Wonach mir jetzt der Sinn steht, ist, von meinem Gatten zu sprechen.«
»Warum den Tag verdunkeln?« wandte ich ein. »Laßt uns noch ein wenig ruhen und dann sehen, ob wir nicht noch eine Weise spielen können.«
»Oh, nein! Solange ich eine verheiratete Frau bin, will ich keusch bleiben. Wir werden dies nicht wiederholen, ehe mein Gatte tot ist.«
Ich hatte eingewilligt, als sie zuvor diese Bedingung gestellt. Jetzt jedoch kannte ich die Ekstase, die mich erwartete, und der Gedanke, warten zu müssen, war mir unerträglich. So sagte ich: »Selbst wenn er alt ist - es könnte noch Jahre dauern.«
Sie bedachte mich mit einem durchdringenden Blick und sagte scharf: »Warum sollte es das? Zu welchem Mittel wollt Ihr greifen?« Ganz verdattert sagte ich: »Ich?«
»Hattet Ihr nur vor, ihm zu f-folgen, so wie gestern abend und
nacht? Bis er vielleicht vor Ärger darüber tot umfällt?« Endlich
dämmerte mir die Wahrheit. Erschrocken sagte ich: »Meint Ihr
ernstlich, er sollte umgebracht werden?«
»Ich meine ernstlich, dass er umgebracht werden sollte«, sagte
sie sar kastisch, aber mit allergrößtem Nachdruck. »Worüber,
meint Ihr, haben wir sonst gesprochen, asenazzo, als es darum
ging, dass Ihr mir einen Dienst erweisen solltet?«
»Ich dachte, Ihr meintet... dies«, sagte ich und berührte sie
schüchtern eben dort.
»Damit ist jetzt Schluß.« Sagte es und rückte ein wenig von mir
ab. »Und übrigens -falls Ihr Euch unbedingt dieser unflätigen
Ausdrucksweise bedienen müßt, nennt dies zumindest meine
mona. Das klingt ein wenig weniger scheußlich als das andere
Wort.«
»Ja, darf ich Eure mona denn nie wieder berühren?« sagte ich
verzagt. »Nicht, ehe ich Euch nicht jenen anderen Dienst
erweise?«
»Dem Sieger gehört die Beute. Ich habe es genossen, Euer
stileto zu wetzen, aber ein anderer bravo könnte mir ja seinen
Degen antragen.«
»Ein bravo.« Ich dachte nach. »Jawohl, eine solche Tat würde
mich zu einem richtigen bravo machen, nicht wahr?«
Woraufhin sie sich girrend vernehmen ließ: »Und ich würde viel
lieber einen schneidigen bravo lieben als jemand, der sich an
die Ehefrauen anderer Männer heranmacht.«
»Im Schrank daheim steht ein Degen«, murmelte ich. »Der muß
meinem Vater oder einem seiner Brüder gehört haben. Er ist
alt, aber gut gepflegt und scharf.«
»Ihr werdet nie beschuldigt werden oder auch nur in Verdacht
geraten. Mein Gatte muß viele Feinde haben -welcher
bedeutende Mann hätte das nicht? Und zwar Feinde seines
Alters und auch seines Standes. Kein Mensch würde auf den
Gedanken kommen, einen solchen Grünschn... ich meine einen
so jungen Mann zu v-verdächtigen, der kein erkennbares Motiv
hat, ihm nach dem Leben zu trachten. Ihr braucht Euch nur im Schutz der Dunkelheit an ihn heranzumachen, wenn er allein ist, und dafür zu sorgen, dass er auf der Stelle hinüber ist und nicht noch so lange am Leben bleibt, eine Beschreibung von Euch abgeben zu können...«
»Nein«, fiel ich ihr ins Wort. »Es wäre besser, ich könnte ihn bei einer Versammlung von seinesgleichen finden, an der auch seine wirklichen Feinde teilnehmen. Könnte ich es unter
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