Marco Polo der Besessene 1
ich.
»Und besitze auch noch andere Kleider.«
»Wovor läufst du denn diesmal davon, Marco?«
»Heute hat mein Vater Hochzeit. Er bringt eine maregna für
mich nach Hause, und davon bin ich nicht gerade begeistert.
Ich habe schon eine richtige Mutter gehabt.«
»Die muß auch ich gehabt haben, hätte aber trotzdem nichts
gegen eine maregna einzuwenden.« Sagte es, seufzte auf wie
eine erwachsene Frau und setzte dann noch hinzu: »Manchmal
habe ich das Gefühl, als wäre ich eine -für die ganze Bande
von Waisenkindern hier.«
»An Dona Fiordelisa ist eigentlich nichts auszusetzen«, sagte
ich und hockte mich mit dem Rücken gegen die Bordwand.
»Aber aus irgendeinem Grunde möchte ich in der
Hochzeitsnacht meines Vaters nicht unter einem Dach mit ihr
schlafen.«
Mit offenkundigem Mißtrauen sah Doris mich an, ließ fallen,
was sie gerade in der Hand hatte, und trat zu mir, um sich
neben mich zu setzen.
»Na gut«, flüsterte sie mir ins Ohr. »Bleib hier. Und tu so, als
wäre es deine eigene Hochzeitsnacht.«
»Ach, Doris, fängst du schon wieder davon an?«
»Ich weiß nicht, warum du es immer wieder von dir weist. Ich
bin es jetzt gewohnt, mich sauberzuhalten, wie es eine Dame
deiner Meinung nach tun soll. Ich halte mich überall sauber.
Schau nur!«
Ehe ich Einwände erheben konnte, streifte sie in einer einzigen
geschmeidigen Bewegung ihr Hemd ab. Sie war wirklich
sauber, kein Zweifel -so sauber sogar, dass nicht ein einziges
Körperhaar an ihr zu sehen war. So glatt und schimmernd war
die Dame Ilaria keineswegs gewesen. Selbstverständlich fehlte
es Doris auch an weiblichen Kurven und Rundungen. Ihre
Brüste waren gerade eben von der Brust eines Jungen zu
unterscheiden und ihre Brustwarzen nur um ein Geringes
rosiger als ihre Haut sonst; Schenkel und Gesäß waren nur
ansatzweise weiblich gepolstert.
»Du bist immer noch eine zuzzurullona«, sagte ich und gab mir
Mühe, gelangweilt und uninteressiert zu klingen. »Es wird noch
lange dauern, bis du aussiehst wie eine richtige Frau.«
Das stimmte zwar, doch besaß gerade ihre Jugendlichkeit, ihre
Kleinheit und Unreife einen Liebreiz eigener Art. Wenn auch
alle Jungen geil sind, sind sie es doch für gewöhnlich auf
richtige Frauen. Mädchen ihres eigenen Alters betrachten sie
für gewöhnlich nur als Spielgefährten, als einen Wildfang unter
Jungen, eine zuzzurullona. Ich jedoch war in dieser Beziehung
etwas weiter als die meisten anderen Jungen; ich hatte bereits
Erfahrung mit einer richtigen Frau gesammelt. Das hatte mir
Appetit auf Gesangsduette gemacht -und ich hatte seit einiger
Zeit ohne diese Musik auskommen müssen -und da war eine
hübsche Novizin, die darum bat, in diese Art von Musik
eingeführt zu werden.
»Es wäre ehrlos von mir«, sagte ich, »auch nur so zu tun, als
verbrächte ich eine Hochzeitsnacht.« Dabei ging ich eigentlich
mehr mit mir selbst zu Rate, als dass ich das Wort an sie
richtete. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich in ein paar Tagen
nach Rom reisen werde.«
»Genauso wie dein Vater. Das hat ihn aber nicht daran
gehindert, wirklich zu heiraten.«
»Richtig. Und darüber haben wir uns gestritten. Ich hielt es
nicht für richtig. Doch seine neue Frau scheint durchaus
einverstanden.«
»Das wäre ich auch. Ach, Marco, laß uns für den Augenblick
doch so tun als ob; hinterher werde ich mich in Geduld fassen
und abwarten -du kommst gewiß zurück. Das hast du doch
selbst gesagt - sobald wieder ein neuer Doge gewählt wird.«
»Du siehst lächerlich aus, Doris. Nackt hier rumzusitzen und
von Dogen und so zu reden.« Dabei sah sie keineswegs
lächerlich aus, sondern eher wie eine von den kecken
Nymphen aus der Legende. Ich bemühte mich wirklich, es ihr
auszureden. »Und dein Bruder spricht dauernd davon, was für
ein braves Mädchen seine Schwester ist...«
»Boldo ist vor heute abend nicht wieder da und wird keine
Ahnung haben, was zwischen jetzt und heute abend
geschieht.«
»Er würde fuchsteufelswild werden«, fuhr ich fort, als hätte sie
mich nicht unterbrochen. »Wir würden wieder miteinander
kämpfen müssen, wie damals, vor langer Zeit, als er mir den
Fisch zwischen die Schulterblätter warf.«
Doris machte einen Schmollmund. »Du weißt meine
Großzügigkeit einfach nicht zu schätzen. Bei dem, was ich dir
anbiete, handelt es sich schließlich um ein Vergnügen für dich,
für
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