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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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liturgisches Gewand«, rechtfertigte Onkel Mafìo sich. »Die kann jeder anziehen, solange er nicht behauptet, damit dem heiligen Priesterstand anzugehören. Und das tue ich nicht. Ich könnte es ja nicht einmal, wenn ich wollte. Denn im Fünften Buch Moses steht geschrieben: ›Ein Eunuch, dessen Hoden gebrochen sind, soll nicht eintreten in den Dienst des Herrn.‹ Capòrn mal caponà.«.
    »Mafìo! Jetzt versuche nicht, deine Gottlosigkeit mit Selbstmitleid zu rechtfertigen!« »Ich sage doch nur, daß ich, sollte Kaidu mich für einen Priester halten, keinen Grund sehe, ihn über seinen Irrtum
    aufzuklären. Boyajian meint sogar, ein Christ könne sich jeder Ausrede bedienen, wenn er es mit Heiden zu tun hat.«
    »Ich kann unmöglich einen ruchlosen Nestorianer als Autorität in christlichem Verhalten akzeptieren.«
    »Würdest du denn lieber Kaidus Dekret akzeptieren? Konfiszierung oder noch Schlimmeres? Schau, Nico. Er hat Kubilais Brief; er weiß also, daß wir den Auftrag hatten, Priester nach Kithai zu bringen. Ohne Priester sind wir nichts weiter als Landstreicher, die mit ungeheuren Schätzen, die einen schon in Versuchung bringen können, durch Kaidus Herrschaftsgebiet ziehen. Ich werde nicht behaupten, Priester zu sein, aber wenn Kaidu das annimmt…«
    »Der weiße Priesterkragen hat noch keinen Nacken vor dem Beil des Scharfrichters bewahrt.«
    »Aber er ist besser als nichts. Kaidu kann mit gewöhnlichen Reisenden machen, was er will, aber wenn er einen Priester erschlägt oder festhält, wird diese Nachricht irgendwann einmal Kubilais Hof erreichen. Und jetzt auch noch einen Priester, den Kubilai hat kommen lassen? Wir wissen, daß Kaidu tollkühn und verwegen ist - nur bezweifle ich, daß er sich selbst das Grab gräbt.« Nach diesen Worten wandte Onkel Mafìo sich an mich. »Nun, was sagst du dazu, Marco? Wie macht sich dein Onkel als ehrwürdiger Vater?«
    »W-w-w-wunderbar!« sagte ich mit schwerer Zunge.
    »Hm«, machte er und faßte mich genauer ins Auge. »Doch, es wird helfen, wenn Kaidu genauso betrunken ist wie du.«
    Schon wollte ich mich anschicken zu sagen, das werde er wahrscheinlich sein, doch war ich plötzlich eingeschlafen, wo ich saß.
    Am nächsten Morgen hatte mein Onkel wieder die Soutane an, als er in der karwansarai an den Frühstückstisch kam, und abermals fing mein Vater an, ihm Vorhaltungen zu machen. Nasenloch und ich waren auch dabei, beteiligten uns jedoch
    nicht an dem Streit. Dem muslimischen Sklaven hätte, nehme ich an, nichts gleichgültiger sein können, und ich hielt den Mund, weil mir der Schädel brummte. Doch sowohl der Streit als auch unser Frühstück wurden jählings durch das Eintreffen eines mongolischen Boten vom bok unterbrochen. Im vollen Schmuck seiner Waffen stolzierte er mit stolzgeschwellter Brust herein wie ein neuer Eroberer, trat direkt vor unseren Tisch hin und sagte, ohne im mindesten zuvor auch nur höflich zu grüßen
    - und auch noch auf farsi, damit wir alle verstanden: »Erhebt euch und kommt mit mir, tote Männer, denn der Ilkhan Kaidu möchte eure letzten Worte hören!« Nasenloch riß Mund und Nase auf, hätte sich ums Haar an dem verschluckt, was er gerade aß, und mußte husten; es sah aus, als wollten ihm die Augen vor Angst aus den Höhlen springen. Mein Vater klopfte ihm auf den Rücken und sagte: »Keine Angst, guter Sklave. Das war die übliche Formulierung, die ein mongolischer Fürst gebrauchen läßt, wenn er will, daß jemand vor ihm erscheint. Sie hat weiter nichts Böses zu bedeuten.« »Jedenfalls nicht notwendigerweise«, sagte Onkel Mafìo einschränkend. »Ich bin immer noch froh, daß ich an diese Verkleidung gedacht habe.« »Jetzt ist es ohnehin zu spät, sie noch abzulegen«, brummte mein Vater, denn der Bote zeigte gebieterisch auf die Tür. »Ich kann nur hoffen, daß du deine profane Vorführung mit priesterlicher Würde hinter dich bringst, Mafìo.« Onkel Mafìo hob über uns dreien die rechte Hand, gleichsam als segne er uns, setzte ein beseligtes Lächeln auf und sagte höchst salbungsvoll: »Si non caste, tamen caute.« Diese vorgegeben fromme Geste sowie das vorgegeben feierliche lateinische Wortspiel waren so typisch für das
    boshaft-verschmitzte und fröhliche Draufgängertum meines Onkels, daß ich laut auflachen mußte, obwohl mir hundeelend zumute war. Zugegeben, als Christ und als Mann hatte Onkel Mafìo manch beklagenswerten Fehler, aber er war ein guter Kamerad, ihn in einer heiklen Situation an

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