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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sich der Wache zu seiner Rechten zu, drückte diesem mit dem Daumen gegen das Kinn, so daß der den Mund aufmachen mußte. Dann spuckte Kaidu den hochgehusteten Schleim direkt in den Mund des Mannes und schob diesen wieder mit dem Daumen zu wobei der Krieger weder eine Miene verzog, noch sich sonst regte -, nahm träge wieder Platz und sah uns wieder mit böse glitzernden Augen an.
    Mit dieser Geste hatte er uns offensichtlich vor seiner Macht, seinem Hochmut und seiner mangelnden Verbindlichkeit zum Zittern bringen wollen und hätte dieses Ziel bei mir wohl auch erreicht. Doch zumindest einer von uns - Onkel Mafio - ließ sich nicht beeindrucken. Als Kaidu seine ersten Worte in der Mongolensprache und mit rauher Stimme sprach: »Nun, Eindringlinge…«, kam er nicht weiter als bis dahin, denn mein Onkel unterbrach ihn unerschrocken in derselben Sprache.
    »Als erstes möchten wir, wenn der Ilkhan nichts dagegen hat, Gott lobsingen, daß er uns wohlbehütet durch so viele Länder zum erhabenen Herrn Kaidu gebracht hat, dem wir jetzt gegenüberstehen.« Und zu meiner -sowie vermutlich auch meines Vaters und des Mongolen-Verwunderung hob er an, laut krächzend das alte Weihnachtslied zu singen:
    A solis orbu cardine
    Et usque terre limitent…
    »Der Ilkhan hat sehr wohl etwas dagegen«, stieß Kaidu durch die zusammengebissenen Zähne hindurch, als mein Onkel an dieser Stelle tief Luft holte. Doch mein Vater und ich hatten inzwischen Mut gefaßt und stimmten in die nächsten beiden Verse ein:
    Christus canamus principem
    Natum Maria virgine…
    »Genug!« polterte Kaidu, und unsere Stimmen verstummten eine nach der anderen. Die roten Augen auf Onkel Mafìo geheftet, sagte der Ilkhan: »Ihr seid ein Christenpriester.« Das klang wie eine - allerdings eher haßerfüllte - Feststellung, und so brauchte mein Onkel sie nicht als Frage zu betrachten, die er hätte verneinen müssen. So sagte er nur: »Ich bin hier auf Geheiß des Khans aller Khane«, und zeigte auf das Papier, das Kaidu verkrampft in der Hand hielt.
    »Hui, ja«, sagte Kaidu mit einem ätzenden Lächeln und faltete das Dokument in einer Art zusammen, in der zum Ausdruck kam, daß sich nur die Hände besudelte, wer es anfaßte. »Auf Geheiß meines geschätzten Vetters. Mir fällt auf, daß mein Vetter diesen ukaz auf gelbes Papier geschrieben hat, wie die Chin-Kaiser es früher getan haben. Kubilai und ich haben dies verrottete Reich erobert, er jedoch übernimmt mehr und mehr die weibischen Sitten und Gebräuche, die damals dort herrschten. Vakh! Wie tief ist er gesunken -er ist heute nicht besser als ein Kalmücke! Offenbar ist unser alter Kriegsgott Tengri nicht mehr gut genug für ihn. Jetzt muß er auch noch weibische Ferenghi-Priester kommen lassen.«
    »Doch nur, um sein Wissen von der Welt zu erweitern, Herr Kaidu«, sagte mein Vater mit versöhnlicher Stimme. »Doch nicht, um einem neuen Glauben Verbreitung…«
    »Die einzige Möglichkeit, die Welt kennenzulernen«, erklärte Kaidu erbost, »besteht darin, sie zu packen und zu würgen.« Damit warf er erst meinem Vater, dann meinem Onkel und danach mir einen wütenden Blick zu. »Ihr wollt dem doch wohl nicht widersprechen, uu?«
    »Den Worten des Herrn Kaidu zu widersprechen«, murmelte mein Vater, »wäre, als wollte man mit Eiern Felsen angreifen, wie es so schön heißt.«
    »Nun, offenbar besitzt Ihr zumindest gesunden Menschenverstand«, sagte der Ilkhan widerstrebend. »Ich nehme an, Euer Verstand reicht auch zu erkennen, daß dieser ukaz schon vor etlichen Jahren und in siebentausend li Entfernung ausgestellt wurde. Selbst wenn Vetter Kubilai ihn bis heute nicht vollständig vergessen haben sollte, bin ich in keiner Weise gehalten, mich nach dem darin Geschriebenen zu richten.«
    Womöglich noch bescheidener als mein Vater murmelte mein Onkel jetzt: »Es heißt: Wie kann ein Tiger dem Gesetz unterworfen sein?«
    »Genau!« knurrte der Ilkhan. »Wenn ich will, kann ich euch einfach wie Gesetzesbrecher behandeln, als Ferenghi-Eindringlinge, die nichts Gutes im Schilde führen. Und könnte euch in Bausch und Bogen zum Tode verurteilen.«
    »Einige behaupten«, murmelte mein Vater womöglich noch verzagter, »Tiger seien eigentlich die Werkzeuge des Himmels, dazu auserkoren, jene zur Strecke zu bringen, denen es bisher gelungen ist, dem verdienten Stelldichein mit dem Tod aus dem Wege zu gehen.«
    »Jawohl«, sagte der Ilkhan und machte ein leicht verdutztes Gesicht angesichts von soviel

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