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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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eingenommen hatten, die Menge des Essens, das wir selbst zu uns genommen, und des Korns, das unsere Pferde gefressen hatten, die Wassermenge, die wir und sie zusammen geschluckt, die cha-Blätter, mit denen man unser Wasser genießbar gemacht, die Menge des kam, die für unser Wohlergehen und unsere Behaglichkeit verbrannt worden war, die Menge des Lampenlichts, das wir genossen, und des Öls, das dabei verbraucht worden war -kurz, alles bis auf die Luft, die wir geatmet hatten. Da das Gespräch hitzig wurde, beteiligte sich auch noch der Koch der Herberge daran oder vielmehr der Meister des Kessels, wie er sich selbst nannte, sodann der Mann, der uns bei Tisch aufgewartet hatte, oder Meister der Tafel, und diese beiden fingen nun schrillstimmig an, all die Schritte zu zählen, die sie in unseren Diensten zurückgelegt, und die Gewichte, die sie getragen, und das Maß an Können und Schweiß und Einfallsreichtum, das sie für uns aufgebracht…
    Freilich erkannte ich bald, daß es hier nicht darum ging herauszufinden, wer den Sieg davo ntrug: abgefeimte Gaunerei von Seiten des Wirts oder heftiger Protest von unserer Seite. Es handelte sich lediglich um eine erwartete Formalität -noch ein Gebrauch, der nur aufgrund der komplizierten Verhaltensweise des Han-Volks zu begreifen ist -, eine Zeremonie, die Schuldner wie Gläubiger so sehr genießerisch in die Länge ziehen, daß sie stundenlang darüber streiten können und sich wechselseitig beschimpfen und wieder versöhnen, Forderungen erheben und zurückweisen und sich irgendwo in der Mitte treffen, um sich schließlich darauf zu einigen, welcher Betrag bezahlt wird.
    Hinterher sind sie bessere Freunde, als sie es vorher waren. Als wir endlich zum Tor der Herberge Zu den Fünf Glückseligkeiten hinausritten, standen der Wirt, der Meister des Kessels und der Meister der Tafel sowie alle anderen Diener und Dienerinnen davor und winkten uns mit dem Lebewohl der Han hinterher, das da lautet: »Man zou« und soviel bedeutet wie: »Verlaßt uns nur, wenn Ihr unbedingt müßt.«
    Östlich von Kashgar verzweigt sich die Seidenstraße, weil sich unmittelbar anschließend an die Stadt eine Wüste erstreckt - eine wasserlose, an der Oberfläche aufspringende und schorfig sich aufwerfende Ödnis wie eine riesige Fläche von überall zerstreuten gelben Tonscherben, eine Wüste so groß wie ein ganzes Land, und schon der Name ist Grund genug, sie zu vermeiden, denn Takla Makan bedeutet »einmal hinein, nie wieder heraus«. Infolgedessen hat der Reisende auf der Seidenstraße die Wahl zwischen jener Abzweigung, die entweder in nordöstlicher oder aber in südöstlicher Richtung um dies Gebiet herumführt. Wir entschieden uns für die letztere. Die Straße führte uns von einer bewohnbaren Oase oder einem kleinen Bauerndorf, die jeweils etwa eine Tagereise auseinander lagen, zum nächsten. Zu unserer Linken hatten wir stets die löwenfellfarbenen Sandflächen der Takla Makan und zu unserer Rechten die schneebedeckten Gipfel der Kunlun-Bergkette, hinter der im Süden das Hochland von To-Bhot liegt.
    Obwohl wir nun die Wüste selbst links liegenließen und durch den angenehm begrünten und gutbewässerten Randstreifen ritten, hatten wir, da jetzt Hochsommer war, eine Menge Wüstenwetter auszuhalten, das gleichsam von der Wüste selbst herüberschwappte. Die einzig wirklich erträglichen Tage waren jene, an denen der Wind von den schneebedeckten Bergen herunterwehte. Meistens jedoch herrschte Windstille, nur hieß das nicht, daß auch die Luft stillgestanden hätte; denn an jenen Tagen bewirkte die Nähe der glühenden Wüste, daß die Luft um uns herum zu zittern schien. Man hätte meinen können, die Sonne sei ein stumpfes Gerät, ein Messingschlegel etwa, mit dem der Gong der Luft geschlagen wurde, bis sie vor Hitze dumpf widerhallend aufschrie. Und wehte gelegentlich ein Wind von der Wüste herüber, brachte er die Wüste mit. Dann wurde in der Takla Makan alles um-und umgewirbelt - da erwuchsen aus hellgelbem Sand wandernde Türme, verfärbten sich diese Türme nach und nach braun, wurden immer dunkler und schwerer, bis sie über uns herfielen und die Mittagszeit in bedrückendes Abenddämmern verwandelten und bösartig brodelten und die Haut zum Prickeln und Brennen brachten, als würde sie mit Birkenreisern gepeitscht.
    Diesen rehfarbenen Staub aus der löwenfellfarbenen Takla Makan kennt man überall in Kithai; er ist selbst jenen Menschen bekannt, die nie reisen und vom

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