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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Vorhandensein der Wüste nicht die geringste Ahnung haben. Dieser Staub treibt Tausende von li entfernt durch die Straßen von Khanbalik und legt sich auf die Blumen in den Gärten des noch weiter entfernten Xan-du, treibt auf der Oberfläche des Hang-zho-Sees, der in noch größerer Ferne liegt, und wird von jedem auf Reinlichkeit bedachten Hauswirt in jeder Kithaier Stadt verflucht, in der ich je geweilt habe. Und einmal, als ich mit einem Schiff auf hoher See im Kithai-Meer segelte, und zwar nicht gerade nur außer Sichtweite der Küste, erlebte ich, wie eben derselbe Staub sich auf dem Deck niederließ. Wer Kithai jemals besucht hat, mag alles andere hinterher vergessen, niemals jedoch das Gefühl, wie der hellbraune Staub sich auf ihm niederläßt -ein Gefühl, das ihn nie vergessen läßt, jemals durch dieses löwenfellfarbene Land gezogen zu sein.
    Der buran, wie die Mongolen einen aus der Takla Makan kommenden Staubsturm nennen, zeitigte eine merkwürdige Wirkung, wie ich sie in keiner andren Wüste bei einem Sturm je erlebt habe. Während der buran uns beutelte und zur Folge hatte, daß längst, nachdem er vorübergezogen war, einem die Haare auf dem Kopf fantastisch zu Berge standen und unser Barthaar sich sträubte wie die Stacheln eines Stachelschweins, unsere Kleidung knisterte, als bestünde sie plötzlich aus steifem Papier, und berührten wir einander zufällig, sahen wir einen kleinen Funken springen und verspürten einen leichten Schlag, wie es einem widerfahren kann, wenn man einer Katze etwas kräftiger übers Fell streicht.
    Ging der buran vorüber, war der Nachthimmel herrlich sauber und klar, wie reingefegt. Ungezählte Sterne tauchten auf, unendlich viel mehr, als ich jemals anderswo gesehen hatte, der kleinste davon noch strahlend wie ein Edelstein, und die vertrauteren größeren so groß, daß sie geradezu rund anmuteten, wie kleine Monde. Der Mond selbst dort oben war auch in jener Phase, die wir Neumond zu nennen pflegen -wenn er also nichts weiter ist als eine schmale Sichel - in seiner ganzen runden Fülle zu sehen: ein bronzener Vollmond, umfaßt von den schmalen Silberarmen des Neumonds.
    In einer solchen Nacht, da wir von unserem Lagerplatz oder von unserer Herberge aus über die Takla Makan hinblickten, sahen wir womöglich noch sonderbarere Lichter, blaue, die flackernd über die Wüste dahinhüpften, verschwanden und wiederauftauchten, manchmal ein oder zwei, manchmal aber auch Scharen davon. Man hätte meinen können, es wären Lampen oder Kerzen, die von Menschen in einem fernen karwan-Lager hin und her getragen wurden, aber wir wußten, daß dem nicht so war. Sie waren viel zu blau, als daß es richtige Feuerflammen hätten sein können, und sie gingen allzu abrupt an und aus, als daß sie von Menschenhand hätten entzündet werden können, und wenn sie auftauchten, wurde es wie an den Tagen, da der buran blies, lebendig in unserem Haar und unserem Bart. Abgesehen von allem anderen wußte jeder, daß kein Mensch jemals durch die Takla Makan zog oder darin lagerte. Jedenfalls keine lebendigen Menschen. Und nicht aus freien Stücken.
    Als wir diese Lichter zum ersten Mal sahen, erkundigte ich mich bei unseren Begleitern, was das denn sein könne. Der Mongole namens Ussu sagte mit gedämpfter Stimme: »Die Perlen des Himmels, Ferenghi.«
    »Aber wie kommt es zu ihnen?«
    Kurz angebunden sagte der andere, der Donduk hieß: »Schweigt und lauscht, Ferenghi.«
    Das tat ich, und obwohl wir sehr, sehr weit von der eigentlichen Küste entfernt waren, vernahm ich leises Seufzen und Schluchzen und Stöhnen, als ob nächtliche kleine Windstöße dort aufkämen und Haschen miteinander spielten. Dabei herrschte vollkommene Windstille.
    »Die azghun, Ferenghi«, erklärte Ussu. »Die Perlen und die Stimmen kommen immer zusammen.«
    »Manch unerfahrener Reisender«, setzte Donduk überheblich hinzu, »hat die Lichter gesehen und die Schreie vernommen und sie für andere Reisende gehalten, die in Schwierigkeiten geraten waren; und hat sich auf die Suche nach ihnen gemacht, um ihnen zu helfen. Dabei haben sie ihn fortgelockt, und man hat ihn nie wiedergesehen. Das sind die azghun, die Wüstenstimmen, und die geheimnisvollen Perlen des Himmels. Daher der Name der Wüste -Einmal hinein, nie wieder heraus.«
    Ich wünschte, ich könnte behaupten, die Ursache für diese Erscheinungen erraten zu haben oder zumindest mit einer einleuchtenderen Erklärung aufzuwarten als der von bösen Kobolden, doch

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