Marco Polo der Besessene 2
hielt das Geschmeide in die Höhe, um es zu bewundern. »Die Ilkhatun wird euch persönlich hierfür danken.«
»Dankt dem Sultan Kutb-ud-Din«, sagte mein Vater.
Ich schneuzte mich. Und wieder ertönte von draußen Donnergrollen, etwas lauter diesmal sogar. Der Ilkhan schrak so sehr zusammen, daß er die Rubinkette fallen ließ; sein Mund ging lautlos auf und zu - und formte doch ein Wort, das ich ihm von den Lippen ablesen konnte -und sagte dann laut: »Da ist er wieder! Aber Donner ohne Donnerwolken… uu…?«
Als seine habgierigen Augen noch etwas erspähten, was ihm gefiel, war es ein Ballen feinsten Kaschmirtuchs. Ich gab ihm kaum Zeit, »Hui!« zu rufen, da hatte ich mich schon geschneuzt, und der Donner dröhnte bedrohlich, woraufhin er mit der Hand zurückzuckte, als ob er sich am Tuch verbrannt hätte, und wieder formte sein Mund das Wort, und mein Vater und mein Onkel sahen mich merkwürdig an.
»Verzeiht, Herr Kaidu«, sagte ich. »Ich nehme an, dies gewittrige Wetter macht mir Kopfschmerzen.«
»Euch sei verziehen«, sagte er wie beiläufig. »Aha! Und das hier ist wohl einer von den berühmten persischen quali-Teppichen, uu?«
Naseschneuzen. Donnergrollen. Und wieder zuckte die Hand zurück, verkrampft formten seine Lippen das Wort, und seine Blicke richteten sich ängstlich himmelwärts. Dann blickte er sich nach uns um, seine Schlitzaugen weiteten sich, daß sie fast rund wurden, und er sagte:»Ich habe nur mit euch gespielt!«
»Mein Gebieter?« fragte Onkel Mafìo nach, und jetzt waren es seine Lippen, die zuckten.
»Gespielt! Euch aufgezogen! Katz und Maus mit euch gespielt!« sagte Kaidu in geradezu bittendem Ton. »Manchmal spielt selbst ein Tiger mit seinem Opfer - wenn er gerade keinen Hunger hat. Und ich habe keinen Hunger. Jedenfalls nicht darauf, mich an solchem Tand zu bereichern. Ich bin Kaidu, mir gehören ungezählte mou Land und zahllose li der Seidenstraße und mehr Städte, als ich Haare auf dem Kopf habe, und mehr Untertanen als die Gobi Steine. Habt ihr wirklich geglaubt, mir fehlte es an Rubinen und goldenen Tellern und persischen quali, uu?« Er bemühte sich, sein Lachen unbekümmert klingen zu lassen. »Ah, ha, ha, ha, ha!« ja, er bog sich förmlich vor Lachen und hieb mit seinen feisten Händen auf die fleischigen Knie ein. »Aber ich hab' euch Angst gemacht, nicht wahr, uu?. Ihr habt mein Spiel für ernst genommen.«
»Jawohl, Ihr habt uns wahrhaftig an der Nase herumgeführt, Herr Kaidu«, sagte mein Onkel und schaffte es, nicht selbst vor Lachen loszuprusten.
»Und jetzt hat der Donner aufgehört«, sagte der Ilkhan und spitzte die Ohren. »Wachen! Wickelt all diese Dinge wieder ein und beladet damit die Pferde dieser Älteren Brüder.«
»Nun, wir danken Euch, Herr Kaidu«, sagte mein Vater, doch seine belustigten Augen waren dabei auf mich gerichtet.
»Und hier - hier habt ihr den ukaz-Brief meines Vetters«, sagte der Ilkhan und drückte meinem Onkel das Dokument in die Hand. »Ich gebe es euch zurück, Priester. Bringt euch und eure Religion und diesen billigen Tand zu Kubilai. Vielleicht sammelt er derlei Trödel. Kaidu jedenfalls tut das nicht. Kaidu nimmt nicht, Kaidu gibt! Zwei der besten Krieger meiner persönlichen Pavillon-Garde werden euch bis zu eurer karwansarai begleiten und mit euch reiten, sobald ihr bereit seid, eure Reise in den Osten fortzusetzen…«
Als die Wachen anfingen, die zurückgewiesenen Schätze hinauszutragen, schlüpfte auch ich hinaus und lief hinter das Zelt, wo Nasenloch stand und das Kupferblech am Rand festhielt, um es augenblicklich wieder donnern zu lassen, wenn ich mich schneuzen sollte. Ich gab ihm das Zeichen, das man überall im Orient versteht und das soviel bedeutet wie: »Erfolgreich verlaufen!« - das heißt, ich zeigte ihm die Faust mit emporgerichtetem Daumen -, nahm ihm das Stück Kupferblech ab und trug es quer durch den bok, um es dem Rüstungsschmied zurückzubringen. Ich kam gerade wieder bei der yurtu des Ilkhan an, als die Pferde fertig beladen waren.
Kaidu stand unter dem Eingang seines Prachtzelts und winkte und rief: »Euch ein gutes Pferd und eine weite Ebene!«, bis wir ihn nicht mehr hören konnten.
Dann sagte mein Onkel auf venezianisch, damit unsere beiden mongolischen Begleiter mit unseren und ihren Pferden es nicht hörten: »Wahrlich, wir haben uns alle im Konzert gut gemacht.
Nico, du hast nur eine gute Geschichte aus dem Ärmel geschüttelt. Marco hingegen einen Donnergott!« Mit diesen
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