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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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wurde. Dann verschwand er zusammen mit Meister Ping, der dieses unwillkommenen Eindringens wegen immer noch murrte, hinter der eisenbeschlagenen Tür, wo Achmad bereits hing und wartete. Ich bedauerte damals nur eines, als ich ging: daß der Araber, nach dem, was ich gehört hatte, immer noch benommen und durcheinander war. Wenn es stimmte, was Achmad mir einmal gesagt hatte, daß die Hölle das ist, was am schlimmsten schmerzt, dann bedauerte ich, daß er die Schmerzen nicht so intensiv empfand, wie ich es mir gewünscht hätte.
    Da der Liebkoser angekündigt hatte, seine Liebkoserei könnte tatsächlich volle hundert Tage andauern, ging selbstverständlich ein jeder davon aus, daß dies auch geschehen werde. So würden auch erst nach Ablauf dieser Frist seine Schreiber und Gehilfen sich in der äußeren Kammer versammeln, um das triumphierende Wiederauftauchen ihres Herrn und Meisters zu erwarten. Nachdem mehrere Tage über diesen Zeitraum hinaus vergangen waren, wurden sie unruhig, wagten es jedoch nicht einzudringen. Erst als ich eine meiner Dienerinnen schickte, sich nach Ali Babar zu erkundigen, faßte der Obergehilfe sich ein Herz, die eisenbeschlagene Tür einen Spalt weit zu öffnen. Ihm schlug ein Leichenhausgestank entgegen, so daß er entsetzt zurückfuhr. Nichts sonst kam aus der eigentlichen Folterkammer, und niemand schaffte es, auch nur einen Blick hineinzuwerfen, ohne daß ihm sofort die Sinne schwanden. Es mußte nach dem Palastbaumeister geschickt und dieser gebeten werden, seine künstlichen Luftströme durch die unterirdischen Gänge zu lenken. Als die Räume gelüftet waren, daß es erträglich war, wagte der Obergehilfe des Liebkosers sich hinein und sah, als er wieder zum Vorschein kam, wie vor den Kopf geschlagen aus.
    Er hatte drei Leichen gefunden, oder vielmehr die Bestandteile und Überreste dreier Leichen. Die des einstigen Wali Achmad bestand nur noch aus wenigen Fetzen; offensichtlich hatte er mindestens den Tod der Neunhundertundneunundneunzig erlitten. Soweit sich feststellen ließ, hatte Ali Babar offensichtlich bis zuletzt zugesehen, dann den Liebkoser gepackt und gefesselt und versucht, an seiner geheiligten und unverletzlichen Person den gesamten Prozeß des Liebkosens, den er kennengelernt hatte, nachzumachen. Allerdings, berichtete der Obergehilfe, sei er wohl nicht weit über den Tod von vielleicht Ein-oder Zweihundert hinausgekommen. Man nahm an, daß es Ali -von den Verwesungsgerüchen, die von Achmads Leiche ebenso ausging, wie von dem Blut und den Fleischresten und den Exkrementen -allzu übel geworden war, um bis zum Ende durchzuhalten. Er hatte den nur teilweise verstümmelten Meister Ping hängen lassen, so daß er zu gegebener Zeit starb, wohl aber nach einem der längeren Messer gegriffen, es sich in die eigene Brust gestoßen und sich auf diese Weise selbst den Tod gegeben. So hatte sich Ali Babar, Nasenloch, Sindbad, Ali-ad-Din, den ich so verachtet und über den ich mich, solange ich ihn kannte, als Feigling und großsprecherischen Prahler lustig gemacht hatte, durch die eine wahrhaft lobens-und rühmenswerte Eigenschaft seines Lebens - seine Liebe zu Mar-Janah - dazu veranlaßt gesehen, etwas überaus Mutiges und Preiswürdiges zu tun. Er nahm Rache an den beiden Männern, die für ihren Tod verantwortlich waren, den Anstifter und den eigentlichen Töter, und hatte sich dann selbst das Leben genommen, damit keinem anderen (worunter ich zu verstehen war) die Schuld für diese Tat angelastet würde.
    Die Palastbewohner, die Einwohner der Stadt Khanbalik und wahrscheinlich von ganz Kithai, wo nicht gar des gesamten Mongolenreiches tuschelten immer noch über den Skandal von Achmads tiefem Fall. Der neue Skandal aus dem Untergrund bot neuen Gerüchten Nahrung -und brachte Kubilai dazu, mich mit strengem, zweifelndem Blick zu bedenken. Trotzdem enthielt diese letzte Nachricht eine so schauerliche, wohl jedoch zum Lachen reizende Enthüllung, daß selbst der Khakhan sich amüsierte und von jedem Impuls abgelenkt wurde, sich seinerseits rächen zu wollen. Was zutage kam, war folgendes : Als die Gehilfen des Liebkosers diesen abhängten und für ein anständiges Begräbnis zusammenflickten, entdeckten sie, daß der Mann sein Leben lang Lotus-Füße gehabt hatte, die sie ihm von klein auf eingebunden hatten und die zu winzigen Spitzen verkrüppelt und verformt waren wie die einer Han aus edlem Hause. So brachte die allgemeine Stimmung, die von Kubilai nicht ausgenommen,

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