Marco Polo der Besessene 2
gefälschten Briefes vernichtet und ihn darin eines Verbrechens beschuldigt zu haben, das er nie begangen hat. Er war genügend anderer Verbrechen und Laster schuldig. Es wäre gut möglich, daß der gefälschte Brief nicht die von mir erwünschte Wirkung gezeitigt hätte, wäre der Araber nicht von so verderbtem Wesen gewesen, daß er sich nicht abhalten ließ, Mafìos Liebestrank zuzusprechen. Aus dieser Erfahrung mit Halluzinationen kam er nur schwer angeschlagen wieder heraus; seine Schläue und sein scharfer Verstand wurden stark in Mitleidenschaft gezogen, und seine Schlangenzunge erlangte ihre frühere Gewandtheit nie wieder zurück. Vielleicht war er von dem ganzen Erlebnis nicht so schwer angeschlagen wie mein Onkel -schließlich erkannte der Araber mich hinterher kurz, was Mafìo nie wieder tat - und vielleicht hätte er sich nach einiger Zeit wieder erholt, doch soviel Zeit blieb ihm nicht.
Als er an diesem Tag vor den wutschäumenden Khakhan geschleppt und mit dem noch recht fadenscheinigen Beweis für seinen »Hochverrat« konfrontiert wurde, hätte er sich unter normalen Umständen wohl leicht herausreden können. Er hätte sich ja nur auf seine Unantastbarkeit zu berufen und zu verlangen brauchen, daß der cheng vertagt wurde, bis man einen Boten an den Ilkhan Kaidu geschickt hätte, jenen dritten in diesem angeblichen Verschwörerbund. Kubilai und die Richter hätten es kaum ablehnen können abzuwarten, was Kaidu zu der Sache zu sagen hätte. Aber Achmad bat laut denen, die dabei waren, weder darum noch um irgend etwas sonst. Er sei weder vorbereitet noch imstande gewesen, sich zu verteidigen. Sie sagten, er habe nur Unsinn geredet und getobt und um sich geschlagen und den unmißverständlichen Eindruck von einem Schuldigen gemacht, der vor lauter Angst vor der Strafe den Verstand verloren hatte. Daraufhin hatten die versammelten Richter des cheng sogleich und auf der Stelle den Stab über ihm gebrochen, und Kubilai, der immer noch außer sich war, hatte keinen Einspruch gegen das Urteil erhoben. Als des Hochverrats schuldig, wurde Achmad zum Tod der Tausend verurteilt.
Die ganze Angelegenheit war aus heiterem Himmel über alle hereingebrochen und stellte den ernstesten und aufsehenerregendsten Skandal dar, soweit die ältesten Höflinge zurückdenken konnten. Die Leute redeten von nichts anderem und erzählten sich genüßlich die kleinsten Kleinigkeiten oder Gerüchte, und jeder, der eine saftige Einzelheit mitzuteilen hatte, war sofort der Mittelpunkt einer ganzen Menschenmenge. Den meisten Ruhm heimste dabei der Liebkoser ein, dem man das erlauchteste Opfer seiner ganzen Laufbahn überantwortet hatte, und Meister Ping sonnte sich im Glanz seiner Berühmtheit. Im Gegensatz zu seiner sonstigen dunklen Heimlichtuerei rühmte er sich in aller Öffentlichkeit, er statte sein unterirdisches Verließ mit Vorräten aus, die ganze hundert Tage reichen würden. Außerdem schicke er sämtliche Schreiber und Gehilfen -selbst seine Tupfer und Apportierer -in die Ferien, um seinem erlauchten Opfer seine ungeteilte und vor allem von niemand mitgetragene Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen.
Ich stattete Kubilai einen Besuch ab. Dieser hatte sich inzwischen etwas beruhigt und sich mit dem Verlust und der Untreue seines Oberministers abgefunden. Auch betrachtete er mich nicht wie die Könige der Vorzeit die Überbringer schlechter Nachrichten. Ich berichtete ihm -ohne freilich in überflüssige Einzelheiten zu gehen -, Achmad sei verantwortlich für den unentschuldbaren Mord an Ali Babars völlig unschuldiger Frau. Ich bat und erhielt die Erlaubnis des Khakhan, daß Ali bei der Hinrichtung des Henkers seiner Frau zugegen sein dürfe. Der Liebkoser Ping war darüber selbstverständlich entsetzt, doch war er dieser Anordnung gegenüber ohnmächtig. Er wagte es nicht einmal, sich laut darüber zu beschweren, damit man nicht genauer untersuchte, wie weit er bereitwillig an der Ermordung von Mar-Janah teilgenommen hatte.
Infolgedessen begab ich mich an dem festgesetzten Tag zusammen mit Ali in die unterirdische Höhle und redete ihm gut zu, männliche Unerschütterlichkeit zu bewahren, während er zusah, wie unser gemeinsamer Feind stückweise seiner Gliedmaßen beraubt wurde. Ali sah bleich -Blutvergießen war noch nie sein Fall gewesen -, aber auch entschlossen aus, selbst dann noch, als er sich so umständlich und feierlich von mir verabschiedete, als wäre er selbst es, der dem Tod der Tausend überantwortet
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