Marco Polo der Besessene 2
den Mongolenkrieger im Winter tragen, und daran riß und zerrte er in dem rasenden Versuch, sich selbst Reibung zu verschaffen. Die achatharten Augen hatte er weit aufgerissen, und doch hatten sie bei aller Steinhärte etwas Verschwommenes, und wenn er etwas sah, so waren gewiß nicht wir es.
Ich gab den Wachen einen Wink. Ein paar von ihnen beugten sich über den Araber und nahmen ihm.die verschiedenen Mittel ab oder zogen sie aus ihm heraus. Als der su-yang ihm aus dem saugenden Mund gezogen wurde, wurde das Wimmern lauter, ergab aber nach wie vor keinen erkennbaren Sinn. Als ihm der Jadezylinder herausgezogen wurde, stöhnte er wollüstig auf, und sein Leib verkrampfte sich vorübergehend. Als ihm das pelzbesetzte Ding abgenommen wurde, fuhren seine Hände gleichwohl weiterhin schwach auf und ab; dabei war ihnen dort unten nicht viel zum Spielen geblieben, und was geblieben war, war wund und blutig gerieben. Der Wachtmeister drehte das hutähnliche Ding um und um und untersuchte es neugierig, und ich sah, daß es behaart nur auf einer Seite war. Dann mußte ich den Blick abwenden, denn eine Masse weißer Substanz und schlierigen Blutes quoll heraus.
»Bei Tengri!« knurrte der Wachtmeister. »Lippen?« Dann warf er es hin und sagte voller Abscheu: »Wißt Ihr, was das ist?«
»Nein«, erklärte ich. »Und ich will's auch gar nicht wissen. Stellt den Ärmsten auf die Beine. Schüttet ihm kaltes Wasser über den Kopf. Wischt ihn sauber. Und zieht ihm was über.«
Während dies mit ihm geschah, schien Achmad wieder ein wenig zu sich zu kommen. Zuerst war er schlaff wie ein Mehlsack, und die Wachen mußten ihn aufrecht halten. Nach vielem Geschwanke und Gezittere war er dann imstande, allein zu stehen. Und nachdem er ein paarmal mit kaltem Wasser übergossen worden war, gab er zwischen den wimmernden Lauten das eine oder andere verständliche Wort von sich, nur schienen sie völlig aus dem Zusammenhang herausgerissen.
»Wir waren beide taufrische Kinder…«, sagte er, als sage er ein Gedicht auf, das nur er hören konnte. »Wir paßten gut zueinander…«
»Ach, halt's Maul!« grunzte ein grauhaariger Wachmann, der Schweiß und Schleim von ihm abwischte.
»Ich wuchs heran, doch sie blieb klein… und ihre Öffnungen bleiben klein… und sie schrie…«
»Maulhalten!« herrschte ein anderer lederiger Veteran ihn an, der versuchte, ihm einen aba überzustreifen.
»Dann wurde sie zum Hirsch… und ich zur Hindin… und da war ich es, der schrie…«
Der Wachtmeister fuhr ihn an und sagte: »Man hat Euch gesagt, Ihr sollt den Mund halten.«
»Soll er doch reden und einen klaren Kopf bekommen«, sagte ich nachsichtig. »Er wird ihn brauchen.«
»Dann waren wir Schmetterlinge… die wir uns im Inneren duftender Blumenkelche umarmten…« Seine rollenden Augen blieben vorübergehend stehen, richteten sich auf mich, und er sagte durchaus verständlich: »Polo!« Doch das Steinharte seiner Augen war noch bemoost, und seinen anderen Fähigkeiten erging es nicht anders, denn murmelnd fügte er nur noch hinzu: »… den Namen zum Gespött machen.«
»Das könnt Ihr ja versuchen«, sagte ich gleichmütig. »Ich habe Befehl, folgendermaßen zu Euch zu sprechen: ›Geht mit diesen Wachen, toter Mann, denn Kubilai, der Khan Aller Khane, will deine letzten Worte hören.«« Ich machte noch eine Handbewegung und sagte dann: »Schafft ihn fort!«
Ich hatte Achmad weiterbrabbeln lassen, um zu verhindern, daß den Wachen noch ein anderer Laut auffiel, den ich in diesem Raum vernommen hatte -einen schwachen, gleichwohl hartnäckig sich haltenden, gesangähnlichen Laut. Als die Wachen mit ihrem Gefangenen gegangen waren, blieb ich zurück, um die Quelle dieses Geräusches zu finden. Dies kam nämlich weder aus dem Raum selbst, noch von draußen aus einer der beiden Türen, sondern hinter einer der Mauern hervor. Ich lauschte angestrengt und verfolgte es bis zu einem ganz besonders grellen persischen qali, der dem Bett gegenüber hing und den ich jetzt fortriß. Die Mauer dahinter sah zwar fest aus, doch brauchte ich mich nur dagegen zu lehnen, und ein Stück der Täfelung schwenkte nach innen wie eine Tür und gab einen dunklen Gang frei; jetzt erkannte ich, worum es sich bei dem Geräusch handelte. Es war schon ein sonderbarer Laut, ihn in einem Geheimgang des Mongolenpalasts von Khanbalik zu hören, denn es handelte sich um ein altes venezianisches Lied, das dort gesungen wurde. Ganz besonders befremdlich wirkte es jedoch
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