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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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belastet.«
    Eine so große Aufgabe hatte ich nun keinesfalls gemeint, und so sagte ich: »Aber Sire, ich verstehe überhaupt nichts von der Steuereintreibung…«
    »Dann nennt es, wie Ihr wollt. Der frühere Finanzminister nannte es eine Abgabe auf Handelsgeschäfte. Ihr könnt es Auflage oder Umlage nennen -oder meinetwegen auch unfreiwillige Wohltätigkeit. Ich erwarte nicht von Euch, daß Ihr die neuhinzugewonnenen Untertanen aussaugt bis aufs Blut, aber ich erwarte einen ansehnlichen Beitrag, den jeder Haushaltsvorstand einer jeden Provinz in Manzi zahlt.«
    »Wie viele Einwohner gibt es denn dort, Sire?« Ich bedauerte es bereits, ihn überhaupt aufgesucht zu haben. »Und was würdet Ihr einen ansehnlichen Beitrag nennen?«
    Trocken erklärte er: »Die Einwohner könnt Ihr wohl selbst zählen, wenn Ihr hinkommt. Und was den Beitrag betrifft, werde ich Euch umgehend wissen lassen, wenn er meinen Vorstellungen nicht entspricht. Und jetzt steht nicht da und seht mich mit offenem Maul an wie ein Fisch. Ihr wolltet eine Aufgabe. Ich habe Euch eine gegeben. Sämtliche nötigen Ernennungsund Ermächtigungsschreiben werden fertig sein, wenn Ihr bereit seid zur Abreise.«
    So zog ich mit nicht größerer Begeisterung nach Manzi als zuvor in den Krieg in Yun-nan. Woher sollte ich ahnen, daß die glücklichsten und befriedigendsten Jahre meines ganzen Lebens auf mich zukommen sollten? In Manzi sollte ich, wie zuvor in Yun-nan, die mir gestellte Aufgabe erfolgreich vollbringen, abermals den ganzen Beifall Kubilais finden, auf durchaus rechtmäßige Weise recht wohlhabend werden -und zwar aus eigenem heraus, durch meine Arbeit und nicht nur als Teilhaber der Compagnia Polo -, und ich sollte noch mit anderen Aufgaben betraut werden und auch diese gut erledigen. Doch wenn ich jetzt »ich« sage, sollte man darunter stets »ich und Hui-sheng« verstehen, denn das Lautlose Echo war jetzt meine Reisegefährtin, meine kluge Beraterin und standhafte Genossin; denn ohne sie an der Seite hätte ich nie geschafft, was mir in diesen Jahren gelungen ist.
    In der Heiligen Schrift heißt es, der Herrgott habe gesagt: »Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei: Ich will ihm eine Gehilfin machen, die wie er sei.« Nun, nicht einmal Adam und Eva waren einander vollkommen gleich -eine Tatsache, für die ich nach all diesen vielen Jahren nie aufgehört habe, Gott zu danken -, und Hui-sheng und ich waren körperlich in vieler Hinsicht verschieden. Doch eine bessere Gehilfin hätte sich kein Mensch je wünschen können, und viele Dinge, in denen wir einander unähnlich waren, beruhten, das muß ich ehrlich einräumen, auf der Tatsache, daß sie mir überlegen war: in der Sanftheit ihres Wesens, in ihrer Herzensgüte und in einer Weisheit, die tiefer ging als bloße Intelligenz.
    Selbst wenn sie weiterhin Sklavin geblieben wäre, die nichts getan hätte als mir dienen, oder meine Konkubine geworden wäre, die nichts getan hätte als mich befriedigen, wäre Huisheng eine wertvolle und willkommene Bereicherung meines Lebens gewesen, eine Verschönerung und etwas Köstliches. Sie war wunderschön anzusehen, köstlich zu lieben und eine Freude, sie um sich zu haben. So unglaublich es klingt, aber die Unterhaltung mit ihr war etwas, das man genießen konnte. Wie Prinz Chingkim einmal zu mir gesagt hatte, ist Bettgeflüster die beste Art, eine Sprache zu lernen, und das stimmte genauso in Hinblick auf eine Sprache der Zeichen und Gesten. Zweifellos hat unsere Nähe auf dem Kopfkissen dazu beigetragen, daß wir beide jeder die Sprache des anderen schneller lernten, als das sonst möglich gewesen wäre, und daß wir uns in der Sprache, in der wir uns miteinander unterhielten, rascher vervollkommneten. Als wir uns dieser Methode des Gedankenaustauschs zuwandten, stellte ich fest, daß Hui-shengs Ausdrucksmöglichkeiten einen großen Reichtum an Bedeutungen, großer Verständigkeit und feinster Unterschiede umfaßte, der es ihr gestattete, ausgesprochen geistreich zu sein. Alles in allem war Hui-sheng viel zu intelligent und viel zu begabt, als daß man sie auf die Stellung einer Untergebenen verwiesen hätte, wohin die meisten Frauen gehören, sich am wohlsten fühlen und am nützlichsten sind.
    Daß man Hui-sheng der Welt der Laute und Klänge beraubte, hat nur dazu geführt, daß alle anderen Sinne bei ihr um so feiner ausgebildet wurden. Sie war imstande, Dinge zu sehen, zu fühlen, zu riechen oder irgendwie zu erspüren, die ich einfach nicht

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